Auswirkungen des Krieges auf die Reichsbahn in
Crailsheim
Der nachfolgende Text ist Teil eines umfassenden Berichtes des Reichsbahnbetriebsamtes Crailsheim vom 10. September 1949 an die Reichsbahndirektion in Stuttgart.
Am 20. Januar 1945 wurde der Bahnhof Crailsheim erstmals von feindlichen Jagdbombern mit
mittelschweren Bomben belegt. Die Gleise 12 und 13 Ost wurden teilweise beschädigt und die Gleise 10 und 11 Ost durch umgestürzte Güterwagen gesperrt.
Der Ranzierbetrieb war infolge des Ausfalls der beschädigten und gesperrten Gleise behindert. Größere nachteilige Auswirkungen auf den Dienstbetrieb waren nicht entstanden.
Der Schaden wurde von der Bm 1 Crailsheim mit Hilfe von Arbeitern der Fa. Weiss, Göppingen, innerhalb 24 Stunden behoben.
Keine Verwundeten und keine Toten.
Am 2.Februar 1945 wurde das am südliche Rande des Bw Crailsheim, links des Gleises Crailsheim-Jagstheim, gelegene WAW (Wagenabstellungswerk) von feindlichen Jagdbombern angegriffen. Das südliche Gebäude des WAW wurde dabei getroffen und brannte mit dem dort lagernden Verdunkelungsmaterial im Werte von ca 1 1/2 Millionen RM u. einigen Ausrüstungsstücken des Bahnschutzes bis auf die Grundmauer ab. Außerdem wurde das Gleis Crailsheim-Jagstheim in Höhe des Einfahrsignals getroffen und aufgerissen. Der Zugverkehr Richtung Jagstheim wurde durch Umsteigen ca. 6 Stunden unterbrochen. Der Reiseverkehr wurde durch Umsteigen aufrecht erhalten
Der Gleisschaden wurde durch die Bm Crailsheim behoben.
Die im Erdgeschoß des abgebrannten WAW-Gebäudes untergebrachte Schreinerei und Schusterei konnte belassen werden. Der Oberstock wurde von der Reichsbahn nicht mehr erneuert. Es wurde später an die
Fa. Gröger, Schrottverwertung, vermietet, die einen Barackenaufbau auf eigene Kosten erstellte.
Keine Verwundeten und Toten.
Am 23. Februar 1945 wurde der Bahnhof Crailsheim um 1:45 Uhr und gegen 13:00 Uhr von je einem starken Verband feindlicher 4-motoriger Bombenflugzeuge mit 800 bis 900 Bomben schweren
und schwersten Kalibers belegt. Sämtliche Gleise der Ost- und Westseite zwischen den Stellwerken 1 und 2 waren durchweg zerstört. Hunderte von beschädigten und zerstörten Güterwagen lagen umgestürzt
auf den beschädigten Gleisen. Das Empfangsgebäude wurde von Bomben getroffen, stürzte in sich zusammen und brannte aus. Die im Gepäckraum lagernden Gepäckstücke wurden teilweise vernichtet. Die
Büroräume, die Bahnhofswirtschaft sowie der Besucherraum waren unter den Trümmern begraben. Die Wohnungen des AV, Bing, Divo, eines Zugleitungsbeamten und der Bahnhofswirtin einschließlich der
Einrichtungen wurden vernichtet. Der Güterschuppen war schon während des Angriffs in kurzer Zeit abgebrannt. Die westlichen Nebengebäude brannten teilweise aus. In einem derselben konnte nach
dem Angriff der Einsatzstab notdürftig untergebracht werden.. Die östlichen Gebäude waren vollständig vernichtet. Stellwerk 1 war zerstört, die Stellwerke 2, 3 und 4 mehr oder weniger beschädigt.
Auf Stellewerk 2 konnten die Fahrdienstleiter und der Dienstausteilungsbeamte untergebracht werden. Die Diensträume des RBA, der Bahnhofskasse und der Güterabfertigung wurden in die
Gastwirtschaft zur Eisenbahn und ein Dienstraum für die Bediensteten des Bahnhofs in das reichsbahneigene (Wohn-)Gebäude in der Hallerstr. 1 verlegt.
Es wurde sofort unter Heranziehung auswärtiger Arbeitskräfte mit Aufräumungsarbeiten begonnen. Gleis 3 Ost war nach 2 Tagen, die Gleise 1 bis 8 Ost und 1 bis 4 West waren Ende März wieder befahrbar.
Bis zur Instandsetzung des Gleises 3 Ost wurde der Reiseverkehr von Aalen und Hessental bis zum Werkstättehof und von Lauda und Nürnberg bis Stellwerke 2 durchgeführt. Hier mußten die Reisenden
aussteigen und von Bediensteten des Bahnhofs über Schutt und Geröll begleitet werden, da auch die anliegende Wege schwer getroffen waren. Der Güterverkehr war mehrere Tage ganz unterbrochen.
Nach eingetretenem Fliegeralarm wurden alle auf Bahnhof Crailsheim weilenden Reisenden in die hier stehenden Reisezüge und mit diesen in den Einschnitt Richtung Lauda verbracht. Die
Bahnhofsbediensteten wurden, nachdem der Feindverband von Ellrichshausen vorgemeldet war, nochmals ausdrücklich gewarnt, worauf sie sich in Deckung begaben oder das Bahnhofsgelände verließen. Daher
keine Verwundete oder Toten.
Am 1.4.1945 wurde der südliche Teil des Bahnhofs Crailsheim durch Jagdbomber kurz angegriffen und mit Bomben. belegt. Weiche 59 und das Anschlußgleis Fliegerhorst wurden getroffen
und beschädigt. Keine Auswirkung auf den Dienstbetrieb. Keine Verwundete und Tote.
Am 4.April 1945 wurde der Bahnhof Crailsheim von einem Feindverband 2-motoriger Bombenflugzeuge mit Bomben belegt. Alle wiederhergestellten Gleise der Ost- und Westseite wurden
wieder zerstört. Die Stellwerke 2 und 4 erlitten starke Beschädigungen. Die noch vorhandenen, teilweise beschädigten Nebengebäude wurden vernichtet. Die sofort in Angriff genommenen
Wiederinstandsetzungsarbeiten konnten nur bei Nacht ausgeführt werden, weil die feindlichen Jagdbomber stets die Gelände kontrollierten und jederzeit mit Angriffen gerechnet werden mußte. Der
Zugverkehr war nur noch in Richtung Aalen und Hessental und nur in beschränktem Umfang möglich. In Richtung Lauda und Nürnberg war der Zugverkehr völlig lahmgelegt, da die Strecken durch große
Bombentrichter unterbrochen waren, die bis zum Einmarsch der feindlichen Wehrmacht am 6. April 1945 nicht mehr beseitigt werden konnten. Keine Verwundeten. Tote: Ein Wehrmachtsangehöriger und eine
Wehrmachtshelferin. Reichsbahnbedienstete weder verwundet noch getötet.
Vom 2. April bis Kriegsende dauernder, von ca. 8:00 bis ca. 17:00 Uhr währender Alarmzustand. Abwechslungsweise Luftgefahr, Fliegeralarm und Warnung vor Tieffliegern. Täglicher Bordwaffenbeschuss der
Züge durch Tiefflieger. Ausfall von Lok, Schäden an Fahrzeugen und große Hemmungen im Zug- und Rangierbetrieb.
Am 8. April wurde an der Wagenhalle des Wagenabstellungswerkes, in der u.a. Eisenbahnpioniermaterial lagerte, von Angehörigen der amerikanischen
Wehrmacht unter der Führung einiger ausländischer Arbeiter Feuer gelegt,
dem die ganze Halle mit dem gesamten Inhalt zum Opfer fiel. Wohnwagen, 4 fahrbare
Lichtmaschinen, andere Wertvolle Maschinen, Drehbänke, Gerät aller Art, Sicherungssignale, Feldküchen usw im Werte von mehreren Millionen RMark gingen verloren.
Bei den wenigen in den ersten Kriegsjahren vorkommenden Fliegeralarmen mußte der Zug- und Rangierbetrieb bis zur Entwarnung eingestellt werden, selbst bei Angriffen auf weit entfernte Ziele. Durch
das Stellen der Züge an den Einfahrsignalen und das Zusammenballen der Rangierarbeiten infolge der Betriebsruhe entstanden große Verspätungen. Später wurde, jedoch nur für kurze Zeit, angeordnet, daß
der Betrieb bis zum Fall der ersten Bombe aufrecht zu erhalten ist. Die Hemmungen im Betrieb waren dadurch gemindert. Mit der Einführung der Warnmeldungen u. der dreischaltigen.Lichtanlage -
Luftgefahr, Fliegeralarm, drohender Luftangriff - wurden die Betriebsstörungen weniger. Durch Ausbleiben dieser Warnmeldungen infolge Zerstörung der Fernmeldeanlagen am 23. Febr. 1945 und der nur
notdürftigen Wiederherstellung derselben nahmen die Störungen im Betrieb durch Fliegeralarm wieder wesentlich zu.