Bahnhof Crailsheim 1996
(Quelle: Das große Archiv der deutschen Bahnhöfe, Text-Auszug)
Die ansteigende Konjunktur nach der Währungsreform am 20.
Juni 1948 brachte ein Hoch im Schienenverkehr. Das vielzitierte Wirtschaftswunder zeichnete sich deutlich ab. Der Reiseverkehr florierte, und der Güterverkehr war kaum zu bewältigen. Über 24 Stunden täglich verkehrten die Güterzüge von, ab und durch Crailsheim, vorwiegend in der Verbindung Nürnberg – Kornwestheim, Nürnberg – Mannheim und in umgekehrter
Richtung.
Auf dem Sonderleistungssektor wurden beinahe täglich Montangüter wie Kohlen und Erz als Ganzzüge befördert. Bei
allen Güterzügen wechselten in Crailsheim die Lokomotiven. Auch der Saisonverkehr forderte die Crailsheimer
Eisenbahner. Holz, Zuckerrüben und Vieh von und zu den im Umkreis stattfindenden Viehmärkten waren zu transportieren. Außerdem wurde 1949/1950 eine
amerikanische Panzergarnison in Crailsheim stationiert, die einen eigenen Gleisanschluss bekam. Auch
eine Bundeswehrgarnison wurde im ehemaligen Fliegerhorstgelände angesiedelt. Alljährlich waren zu den Manövern, besonders zu den großen gemeinsamen NATO-Manövern, zahlreiche Militärzüge in alle Himmelsrichtungen zusammenzustellen und abzufahren, oder
sie kamen hier an und wurden rangiert.
Auf dem Bahnhof Crailsheim waren zwei Rangierlokomotiven rund um die Uhr für die Bildung und Auflösung von Güterzügen und für das Behandeln der Reisezugwagen
eingesetzt, und eine dritte Rangierlokomotive bediente tagsüber die
Anschlußbahnen.
Der Bahnhof war bis zum 31.
Dezember 1993 als Rangklasse II bewertet, in den siebziger Jahren war er in die Rangklasse 1 aufgestiegen. Seit den sechziger Jahren wurde gespart. Zum Beispiel wurden der Zugbegleitdienst
reduziert,
die Güterzüge als „Nullmanzuege“gefahren.
1972 konnte eine neue moderne Güterhalle auf der Westseite, ungefähr am Standort des seitherigen Güterschuppenprovisoriums, eingeweiht werden. Etwas
später wurde auf den Strecken der Deutschen Bundesbahn der sogenannte Schwerpunktverkehr eingeführt. Dadurch ging das Rangiergeschäft
auf den kleineren Bahnhöfen zurück. Rangierpersonal wurde freigesetzt.
Der Rückgang des Güterverkehr auf der Schiene wurde auch in Crailsheim und seinem Ablaufberg deutlich. 1982 wurde der Ablaufbetrieb eingestellt, der Berg abgetragen. Mit dem Sommerfahrplan am 30. Mai 1976 schied die letzte Dampflokomotive in Crailsheim aus dem Plandienst aus. Im Herbst war
Crailsheim dampffrei. Die Ära der Diesellokomotiven sollte nicht einmal zehn Jahre dauern, denn vom Sommerfahrplan am 2. Mai 1985 an war die Strecke Aalen –
Crailsheim – Ansbach für den elektrischen Zugbetrieb befahrbar. Die hochwertigen Züge fuhren nun mit elektrischen Lokomotiven bespannt,
ausschließlich von der Remsbahn kommend zwischen Stuttgart oder Kornwestheim über Crailsheim nach Nümberg. Die
Murrbahn geriet etwas ins Hintertreffen. Auch die später eingesetzten Interregiozüge fuhren ausschließlich über Aalen. Crailsheim wurde „vertaktet", denn die IR-Züge verkehren im Zweistundentakt in Richtung Nürnberg und Stuttgart.
Eine weitreichende Neuerung wurde im April 1985, zwar parallel zur Elektrifizierung laufend, aber vorher fertiggestellt, in Betrieb genommen: das Drucktastenstellwerk. Die Stellwerke 1 und 2 wurden abgerissen. Das Stellwerk 3, das in erster Linie für den Betrieb
der vom Bahnbetriebswerk ausrückenden und zurückkehrenden Lokomotiven zuständig war, blieb noch bis zum 18.
Dezember 1987 stehen. Durch die lokführerbediente Weichenanlage fiel dieses markante Stellwerk in der Nähe des
„Schwarzen Steges" und der Betriebswerkstätte der Abrissbirne zum Opfer.
Am 2. Juni 1996 wurde auch auf der Murrbahn der elektrische Zugbetrieb aufgenommen. Von Stuttgart laufen über Backnang die Interregio Züge in Richtung Nürnberg durch Crailsheim. Die Deutsche Bahn AG brachte dem Bahnhof ungeheuere organisatorische Veränderungen. Nicht nur Personalabbau (er ging ohne Entlassungen ab, indem der normale Abgang nicht ersetzt wurde), das althergebrachte, gewohnte, aber auch bewährte Gefüge wurde völlig zerrissen. Fortan gibt es in Crailsheim voneinander unabhängige Geschäftsbereiche wie den