Januar - März 1944
In den ersten Monaten des Jahres 1944 gab es inCrailsheim noch eine Art Normalität des Alltages.
Es gab kulturelle Veranstaltungen, der Schulunterricht wurde wenig unterbrochen, Fliegeralarme waren noch nicht so häufig und wurden auch nicht ernst
genommen. Sie betrafen die Crailsheimer fast nur durch den Überflug von Verbänden zu anderen Städten wie Nürnberg. Selbst die Ernährungslage war noch überschaubar und in Crailsheim einigermaßen
gesichert. Die Rituale des NS-Kalenders wurden voll erfüllt. Nur langsam erhöhte sich die Zahl der Todesanzeigen in der „Hohenloher Zeitung", das schlich
sich in den Alltag ein. Im Januar waren sechs Crailsheimer gefallen, im Februar acht und im März waren es zehn.
An jedem zweiten Sonntag im März wurden die Gefallenen
beider Weltkriege geehrt. Das war 1944 am 12. März. Der Heldengedanktag 1944 wurde mit dem
offiziellen feierlichen Zeremoniell in Crailsheim auf dem Schlossplatz und der Kranzniederlegung auf dem Heldenfriedhof mit Reden von Kreisleiter Hänle und
dem Kommandant des Fliegerhorsts, Oberst Fruhner, begangen.
Aus einem internen SD-Bericht vom 16. März 1944
Alle unsere Anstrengungen, die Tapferkeit unserer
Soldaten, die Fehler, die die Russen machten und die Unentschlossenheit und Uneinigkeit, mit der die Engländer und Amerikaner handeln, könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass uns immer mehr „auf den Leib gerückt " werde und dass wir immer stärker einer Menschen- und Materialüberlegenheit der Feinde ausgesetzt seien. … Die ohnehin gedrückte Stimmung wird durch die vielen
sonnenlosen und nasskalten Tage nicht unwesentlich beeinflusst, zumal sie für die Frauen eine vermehrte Sorge
um die Gesundheit der Kinder, die dauernd erkältet sind, mit sich brächten. Die praktischen Nöte der Frau lägen in der völlig gesperrten Reichskleiderkarte, in den Schwierigkeiten, gerade jetzt
Schuhwerk und Kleidung für die Kinder zu ergänzen und in der Knappheit an Kartoffeln und Gemüse, so sehr man anerkennt, dass sich Führungsstellen bemühen, aus dem augenscheinlich knapper werdenden Haushalt des Reiches den Kartoffelmangel anderweitig
auszugleichen und mit anderen
„netten" Zuteilungen zu trösten.“ …
Neue Zuweisungen von Evakuierten aus dem Ruhrgebiet
Nachdem im Februar der Reichsminister des Inneren dem Gauleiter in Württemberg eine drastische
Erhöhung der aufzunehmenden Evakuierten vorgeschrieben hatte, war nun die Quote für Crailsheim errechnet worden. Das Landesplanungsamt hatte für Crailsheim ein Belegungssoll von 1.000 Arbeitskräften im Zusammenhang mit Industrieverlagerungen und 8.500
Umquartierungen aus dem Gau Essen errechnet. Das schien dem Crailsheimer amtierenden Landrat, Dr. Sautermeister, nicht tragbar. Sein Brief vom 16. März 1944
an das Innenministerium mit Kopie an die Gauleitung mit dem Betreff „Unterbringung von Luftkriegsgeschädigten im Kreis Crailsheim" ist
zeitgeschichtlich interessant:
„Die Kreisamtsleitung der NSV hat neuerdings mitgeteilt, dass für den Kreis Crailsheim die Unterbringung von insgesamt 9500 Luftkriegsbetroffenen vorgesehen sei. Mit dem Kreisleiter und dem Kreisamtsleiter der NSV bin ich der Auffassung, dass der Kreis diese Anzahl von Personen nicht aufnehmen kann. Es ist ja bekannt, dass die Wohnungsverhältnisse im Kreise in weitem Umfange sehr bescheiden sind, dass in annähernd 90% der ländlichen Gemeinden keine Wasserleitung vorhanden ist, dass es hier besonders viele ganz kleine und weit abgelegene Teilorte gibt ohne Lebensmittelgeschäft und Wirtschaften und dass daher die Aufnahmefähigkeit des Kreises Crailsheim im Verhältnis zur Einwohnerzahl hinter fast allen anderen Kreisen des Landes zurücksteht.
Dann hat die Stadtgemeinde Crailsheim seit Kriegsbeginn durch die Entwicklung des Fliegerhorstes und der Firma Bosch einen Zustrom von annähernd 1500 Personen gehabt, ohne dass in nennenswerter Weise Wohnraum zusätzlich geschaffen werden konnte. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Crailsheim als besonders gefährdete Stadt in das Führer-Ausweitungs-Programm aufgenommen wurde und sich daher Wohnraumausweichmöglichkeiten vorbehalten muss.
Um eine neue Grundlage für die Belegungsmöglichkeiten zu bekommen, habe ich zusammen mit dem Kreisleiter in allen Gemeinden durch Kommissionen, bestehend aus einem ortsfremden Leiter, dem Bürgermeister und örtl. Hoheitsträger der Partei, alle in Betracht kommenden Wohnräume unter Anwendung eines scharfen Maßstabes erfassen und beschlagnahmen lassen. Auch aus dem Resultat dieser Erfassung ergibt sich überschlagsweise, dass im Kreise 9500 Personen wohl nicht untergebracht werden können.“
Die Antwort kam schon am nächsten Tag - nicht vom Innenministerium,
sondern von der Gauleitung als knapp formulierte Anweisung: Crailsheim muss das Aufnahmesoll erfüllen!
Meldungen aus Crailsheim
- Ab 1. März konnten die Anmeldungen für den erneuten musischen Wettbewerb der Hitler-Jugend 1944 erfolgen, der für Einheiten und für Einzelleistungen ausgeschrieben war. An dem Wettbewerb der
HJ-Einheiten konnten sich beteiligen: Musik-, Spielmanns-, und Fanfarenzüge; Chöre und Singgruppen;
Laienspiel-, Puppenspiel- und Volkstanzgruppen. Der Wettbewerb für Einzelleistungen erstreckte sich auf alle Gebiete der Musik, darstellende Dichtung, bildende Kunst, Lichtbild und
Schmalfilm.
-Am Sonnabend und Sonntag, dem 4.
und 5. März 1944, wurde wie jedes Jahr eine „Reichsstraßensammlung" für das Kriegswinterhilfswerk durchgeführt. Daran beteiligten sich alle Einheiten der HJ, SA, SS, NSKK und NSFK. Es gab wunderschöne kleine Porzellanfiguren: zehn
Märchenfiguren.
-Nachdem 1943 erstmals ein Jahrgang der Geburtsjahrgang 1927 zur Zahnsanierung
aufgerufen worden war, wurden 1944 gleich zwei Jahrgänge, 1928 und 1929, dazu befohlen. Für sie wurde auch die Röntgenreihenuntersuchung
durchgeführt. Der Grund war eindeutig und offen gesagt: „... um der Wehrmacht wie dem Arbeitseinsatz einen leistungsfähigen Nachwuchs zu
sichern."
- Am 16. März begannen die Gauwettkämpfe im „Kriegsberufswettkampf der deutschen Jugend". 50.000 Jungen und Mädel nahmen in Württemberg teil. Die Besten sollten zu den Reichsberufswettkämpfen im April gesandt werden.
- Staatssekretär Waldmann, Ehrenbürger von Crailsheim, hielt am Freitag, dem 15. März, in Crailsheim im überfüllten
Rittersaal und am 16. März im vollen Saal
des Gasthauses „Krone" in Tiefenbach - seinem Geburtsort - Reden, die er Rechenschaftsberichte nannte. Die Hohenloher Zeitung: „Besonders eindrucksvoll
wirkte die Offenheit, mit der der Redner so manche politische und wirtschaftliche Frage der Vorkriegszeit und der Kriegszeit behandelte." Waldmann war zu dieser Zeit auch amtierender Finanzminister in Württemberg.
- Aufgerufen wurde auch zur Beteiligung an einem Vorschlagswesen zur Reparatur-Rationalisierung. Das Handwerk litt unter den stark spürbaren Einberufungen zur Wehrmacht und zu den Kriegsdienstleistungen in der Rüstungsindustrie. Vorgegeben war den noch tätigen Betrieben die Konzentration auf nur unbedingt notwendige Reparaturen und die Absprache von Reparatur-Spezialisierungen unter diesen Betrieben.
In Crailsheim gab es im März 1944 noch ein Ritual:
Die Verpflichtung der Vierzehnjährigen auf Adolf Hitler. Es sollte das Bekenntnis sein, wie die „Hohenloher
Zeitung" am 23. März schrieb, „Führer, wir gehören Dir." Die Verpflichtung selbst lautete: „Ich verspreche, allzeit meine Pflicht zu tun in Liebe und
Treue zum Führer und zu unserer Fahne." Erfasst wurden die Jugendlichen, die zwischen 1. Juli 1929 und 30. Juni
1930 geboren waren. Ihre Namen wurden nach ihren HJ-Einheiten untergliedert in der Zeitung veröffentlicht. Etabliert wurde diese Verpflichtung als Konkurrenz zur Konfirmation. Die Verpflichtungszeremonie war sehr feierlich gestaltet. Jeder Jugendliche erhielt per Handschlag vom Kreisleiter und Bannführer eine
Urkunde. Ein Hitlerjunge sprach noch einen Treuespruch.
Es war Reiner Baumann, der dann am 23. Februar 1945 ums Leben kam.
(Quelle: Armin Ziegler: "´Crailsheim 1944 - eine Stadt im totalen Krieg", Crailsheim 2004)
April
SD-Bericht vom 6. April 1944:
Die Stimmung der Bevölkerung ist zur Zeit
uneinheitlich. Die Bevölkerung schwankt zwischen der bangen Sorge, dass Schlimmes bevorsteht, und der stillen Hoffnung, dass sich plötzlich alles zu unseren Gunsten ändert.
Meldungen aus Crailsheim
- Am 1. April wird das Kriegshilfswerk 1944 für das Deutsche Rote Kreuz eröffnet. Diesmal ist es eine Hauslistensammlung. Es wird von allen ein „ansehnlicher“ Betrag erwartet.
- Über Ostern finden Schießvergleichswettkämpfe der HJ-Banne Crailsheim, Aalen, Mergentheim und Schwäbisch Hall statt. Die besten Einzelschützen in den Jahrgängen waren jeweils Crailsheimer: Jahrgang
1927: Walter Metzger; Jahrgang 1928: Wolfgang Oppelt; Jahrgang 1929/30: Manfred Weihprecht, Fritz Hötzel, Karl Bender.
- Im Einzelhandel gilt, dass es nun keine Verpackungen aus Pappe auch für Zigaretten mehr gibt. Verpackungsmaterial muss nun für alle Handelswaren mitgebracht werden.
- Im Rahmen der Veranstaltungen von „Kraft durch Freude“ fand im Rittersaal ein Vortragsabend über Richard Wagners Weihefestspiel „Parsifal“ statt. Vortragender: Fritz Brabeck-Letmathe, Musikalische
Begleitung: Frau Brabeck-Lethmate.
- Am 19. April - dem Vortag von Adolf Hitlers 54. Geburtstag - findet die feierliche Aufnahme der zehnjährigen Jungen und Mädel, die zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 30. Juni 1934
geboren waren, ins Jungvolk und den Jungmädelbund statt. Ihnen mitgegeben wurden Schwertworte.
Für die Jungs: „Jungvolksjungen sind hart, schweigsam und treu, Jungvolkjungen sind Kameraden, des Jungvolkjungen höchstes ist die Ehre.“
Für die Mädel: Jungmädel sei Kamerad, treu, gehorsam, tapfer und verschwiegen. Jungmädel
wahre Deine Ehre.“
- Die Geburtstagsfeier des Führers fand im Rittersaal unter Teilnahme aller NS-Organisationen statt. Es sprachen Luftwaffen-Oberst Fruhner als Standortältester, Regierungsrat Dr. Sautermeister,
Bürgermeister Fröhlich. Parteigenosse Benz sprach das Gedicht „Unser Glaube“. Nach dem Lied „Wir tragen das Vaterland“ sprach Kreisleiter Hänle „eine überzeugende Rede.“
SD-Bericht vom 20. April 1944
Viele Volksgenossen zeigen
sich allmählich müde unter dem stetigen Druck … Allgemein habe man den Krieg „bis obenhin satt“. Der Wunsch nach einer baldigen Beendigung sei überall sehr groß. Selbstverständlich soll der
Kriegsausgang für uns günstig sein. Gerade davon aber könne man sich überhaupt keine Vorstellung mehr machen. …
Die neue Methode der Gegner, aus Tiefangriffen heraus die Eisenbahnzüge und auf dem Feld arbeitende Volksgenossen mit Bordwaffen zu beschießen, beunruhigt immer mehr.
Angriff auf den Flugplatz
Am 24. April zwischen 13 und 15:30 Uhr greifen aus Bombergeschwadern heraus Jagdflugzeuge den Flugplatz mehrfach an und zerstören dort abgestellte Maschinen.
Wegen nächtlichen Fliegeralarms fallen im April früh viermal die ersten Schulstunden aus. Einmal müssen die Schüler tagsüber vom Unterricht nach Hause geschickt werden.
Mai
Aus dem SD-Bericht vom 4. Mai 1944
Am stärksten beschäftigt sich die Bevölkerung gegenwärtig mit dem Luftkrieg. Er beherrscht alle Gemüter und belastet den Glauben an eine Wende der Lage am meisten. … Man ist sich einig darüber, dass
es nicht mehr lange weitergehen kann, und dass die ganze Entwicklung zu einer Entladung in nicht zu langer Zeit drängt.
Die Ernährung gebe zu wesentlichen Klagen, von der stellenweise herrschenden Kartoffelknappheit abgesehen, keinen Anlass. Bestehen bleiben die Kleidersorgen und die Wohnungsprobleme. Bei den Frauen
mache sich eine wachsende Nervosität bemerkbar: Sorge um die Kinder, Beschaffung der Mahlzeiten, die Hausfrauenpflichten und Nacht für Nacht Alarme.
Crailsheim stellt einen Reichssieger im Kriegsberufswettkampf
Am Sonntag, den 13.Mai 1944, fand im Großen Haus des Frankonia-Filmtheaters die Siegerehrung des Kriegsberufswettkampfes statt. Reichssieger in seinem Beruf wurde Fritz Leidig, Flaschner in
Crailsheim.
Daneben konnte noch ein Reichsbester geehrt werden, der Maler Wilhelm Gehring aus Honhardt.
Außerdem stellte der Kreis Crailsheim noch drei Gausieger: Den Crailsheimer Gerhard Hettler im Schlosserberuf, Erwin Waldmann, Maurer aus Gröningen, und im Bereich Reichsnährstand Heinz Reiß aus
Herrentierbach.
In der Veranstaltung wurde auch Gewerbelehrer Mattern für seinen großen Einsatz geehrt, junge Menschen auf ihren Beruf vorzubereiten.
Weitere Meldungen aus Crailsheim
- Der Bann 122 Crailsheim erhält einen neuen Bannführer, den kriegsversehrten Oberstammführer Bechtold, der den zur Überbrückung eingesprungenen Gärtnermeister Wilhelm Volz ablöst.
- In der Zeit vom 7. bis 27. Mai wird die Spinnstoff-, Wäsche und Kleidersammlung 1944 durchgeführt. Auch verschmutzte und zerrissene Reste sind gefragt. Industriell lasse sich alles verwerten.
- Die Eltern sollen an eingezogene Jungen schreiben und fragen, welche Teile der HJ-Uniform weitergegeben werden können. Zu kaufen gibt es kaum noch Uniformteile. Das Erscheinungsbild der
Hitlerjugend ist schon nicht mehr einheitlich.
Im Mai gab es zwölfmal öffentliche Luftwarnung, davon viermal nachts. Fliegeralarm wurde achtmal ausgelöst, davon dreimal nachts. An fünf Wochentagen fiel die erste Schulstunde wegen nächtlichen
Fliegeralarms aus. An vier Tagen wurde der Schulunterricht wegen Fliegeralarms unterbrochen.
Aus dem SD-Bericht vom 8. Juni 1944
Der Eintritt der Invasion (am 6.
Juni) wird allgemein als Erlösung aus einer unerträgliche Spannung und Ungewissheit empfunden … und teilweise mit großer Begeisterung aufgenommen. Die Stimmung hat sich mit einem Schlag gewandelt.
Fragen: Bringt die Invasion die sehnlichst erwartete Entscheidung? Wird sie ein dauerhaftes Nachlassen der Luftangriffe zur Folge haben? Kommt mit der Invasion endlich auch die Vergeltung? Wird
unsere Geheimwaffe jetzt eingesetzt?
Meldungen aus Crailsheim
- Am 3. und 4. Juni wurde der jährliche Reichsportwettkampf aller Jungen und Mädel der HJ durchgeführt. Auch gab es die Bann-Fußball-Meisterschaften des Bannes 122.
Crailsheim gehörte nicht zu den Gewinnern. In Blaufelden wurden die Geräte-Turnmeisterschaften des Bannes durchgeführt. Sie standen unter Leitung von Bannfachwart Halbritter. Die Crailsheimer
Jungmädel (10 – 14 Jahre) lagen vorn.
- Aus einer Meldung der „Hohenloher Zeitung“ vom 14. Juni geht hervor, dass in die Führertagung des Bannes 122 unter dem neuen Bannführer Bechtold die Waffen-SS eingeschaltet war, die u.a. den
Schießdienst übernahm und auf dem Kreuzberg bei Altenmünster eine „zackige“ Geländeübung durchführte.
- Bei dem „Hilf mit“ Wettbewerb aller deutschen Schulen wurde die Crailsheimerin
Ute Lechler, Klasse 2 der Hauptschule (6. Schuljahr), Reichsiegerin. Sie hatte eine Arbeit über das Thema „Kohlenklau“ geschrieben. Als Preis durfte sie mit den Siegern aus den anderen Gauen eine
Dampferfahrt auf der Donau von Passau nach Linz machen.
Gemeinderatssitzung am 8. Juni
Anwesend die Ratsherren Daiß, Haf, Leidig, Pratz, Schenk, Schmidt und Täschner. Durch Wehrdienst abwesend der Beigeordnete Gärtner und die Ratsherren Beck und
Reinhardt. Geleitet wurde die Sitzung durch Bürgermeister Fröhlich, protokolliert wurde sie vom stellvertretenden Ratsschreiber Gebhardt. Zu den einzelnen Punkten wurden zugezogen: Stadtbaumeister
Kiderlen, Direktor Lindenmeyer (Stadtwerke) und Kreisbauinspektor Walter.
(Stadtdirektor Lindenmeyer musste die Stadtpflege mit übernehmen.)
Der wichtigste Punkt der Sitzung war der Stand der Luftschutzbaumaßnahmen.
Erschreckend war die damit verbundene Bürokratie, die im September 1943 geplanten Maßnahmen umzusetzen. Zwar waren Reichsmittel in Höhe von 150.000 RM im März 1944 eingegangen und Genehmigungen
erteilt worden – aber es wurden keine Materialien zur Verfügung gestellt. Vor allem die geplanten öffentlichen Luftschutzräume im Bergstollen kamen nicht voran.
Die Jahnhalle wurde von der Wehrmacht als Reservelazarett genutzt. Deshalb wurde in der Spitalkirche geturnt. Der Rittersaal wird jetzt als Ausweichturnhalle gemietet.
Aus dem SD-Bericht vom 28. Juni 1944
Die allseitige zuversichtliche Stimmungs- und Meinungsbildung hat einer ernsteren Beurteilung Platz gemacht. Die Wirkung der Vergeltungswaffe V1
enttäuscht, die Festung Cherbourg ist gefallen, die Offensive der Sowjets im Osten bringt ihnen schnelle Erfolge – und es sind wohl bald auch Luftangriffe auf das Reich von Osten her zu
erwarten.
Luftkrieg im Juni
Zu Beginn der Invasion
hatten die Luftangriffe der Amerikaner und Briten nachgelassen. Schulstunden wegen nächtlichen Fliegeralarms aus, und tagsüber wurde der Unterricht nur einmal
abgebrochen.
Juli
Der Ausgang des Krieges wurde im Juli 1944 entschieden!
Militärische Situation Anfang Juli 1944
Ostfront: Im Süden ist die Krim geräumt und
Sewastopol von den Sowjets eingenommen. Die Front verläuft noch östlich der rumänischen Grenze. Am 22. Juni 1944 begannen die Sowjets ihren Großangriff im Mittelabschnitt der Ostfront. Die deutschen
Truppen mussten sich unter hohen Verlusten an Menschen und Material zurückziehen.
Westfront: Die
Invasionder amerikanischen, britischen und
kanadischen Truppen am
6. Juni1944in Nordfrankreich gelang trotz
stellenweise starken Widerstands von deutschen Truppen. Die Lufthohheit der Alliierten war binnen kurzer Zeit hergestellt. Sie behinderte stark die Heranschaffung deutscher
Reserven.Am 30. Juniwaren die Lande-Brückenköpfe
durch Vorstöße der alliierten Truppen –wenn auch teilweise unter hohen Verlusten - weitgehend gesichert. Die Hoffnung der deutschen Führung, die gelandeten Truppen gleich wieder ins Meer zu werfen,
war zur Illusion geworden.
Italien: Am 17.Mai 1944 wurde die sogenannte Gustav-Linie, die an einigen Stellen von den Alliierten durchbrochen worden war von den Deutschen durch einen Befehl Kesselrings aufgegeben. Am
18.5. besetzten polnische Truppen der Anders-Armee das lange Umkämpfte Kloster Monte Cassino. Am 4. Juni besetzten die Amerikaner Rom, das von deutschen Truppen nicht verteidigt wurde. Der Rückzug
der deutschen Truppen erfolgte planmäßig auf eine neue Auffangstellung, die sogenannte Goten-Stellung zwischen La Spezia an der Westküste und Pesaro an der Ostküste Italiens.
Balkan: Anfang April 1944 wurde die Stärke Titos von deutscher Seite auf 31 „Divisionen“ mit zusammen 110.000 Mann geschätzt, deren Schwerpunkt in
Kroation angenommen wurde. Mehrere Aktionen gegen ihn waren nicht sehr erfolgreich. Tito gegenüber standen 105.000 deutsche Besatzungstruppen. Ende Mai 1944 gelang es der deutschen
Seite in einer größeren Aktion gegen Titos Stammland vorübergehend nochmals eine Stabilisierung der Situation herbeizuführen.
Seekrieg: Leichte deutsche Seestreitkräfte (3 Zerstörer, 5 Torpedo-Boote, 30 Schnellboote und
30 U-Boote werden bei der Invasion vor der französische Küste eingesetzt. Sie versenken nur 20 leichte Seestreitkräfte und 17 Transporter. Allein 20 der 30 eingesetzten U-Boote gehen verloren.
Bombenkrieg: Anfang April 1944 bombardierte die US-Air Force von Italien aus erstmalig die rumänischen Ölfelder in Ploesti und die Transportwege in Rumänien. Anfang Mai erfolgen
Angriffe auf die Hydrierwerke zur Herstellung synthetischer Treibstoffe in Deutschland: Die Leuna-Werke bei Merseburg, Tröglitz und Bühlau werden weitgehend zerstört. Davon erholt sich die deutsche
Kriegswirtschaft auf diesem Gebiet nicht mehr.
Die Angriffe auf deutsche Städte nehmen weiter an Intensität zu. Am 13.Juni 1944 wurden die ersten V-1-Raketen gegen England aus Frankreich abgefeuert. Die Fehlerquote ist hoch, die Zielgenauigkeit
gering. Wirksam ist der psychologische Effekt.
Interner SD-Bericht: 6. Juli 1944
Die Stimmung der Bevölkerung ist gegenwärtig besonders ernst. Die Volksgenossen verhalten sich den Ereignissen gegenüber abwartend. Dass sowohl die Invasion als auch die Vergeltung bisher den erwarteten Höhepunkt in dem Sinne, dass eine Kriegsentscheidung abzusehen ist, nicht gebracht haben, machen allgemein recht bedenklich.... Die Ausbreitung der Kampffronten, die zunehmende Härte der Kämpfe, die Verschärfung des Krieges in der Normandie, die anhaltend rückläufigen Bewegungen in Italien, die überraschend schnellen Fortschritte der Sowjets und der Tod von Generaloberst Dietl, wirken bei den Volksgenossen aus dem Gefühl einer allzu starken Übermacht unserer Feinde heraus sehr bedrückend.
Der Insgeheim bereitete man sich in der Reichsführung schon darauf vor, dass
der Krieg in Deutschland geführt werden würde. In einer sogenannten Führer‑
Anweisung vom 13. Juli 1944 (Moll: „Führer-Erlasse 1939-1945", S. 426ff) wurden für den Fall des Vordringens feindlicher Kräfte auf das Reichsgebiet Vorbereitungen getroffen.
Meldungen aus Crailsheim
- Der HJ-Bann Crailsheim führte am Wochenende des 1. und 2.
Juli sein Bannsportfest durch. Die Wettkämpfe wurden sowohl als Mannschaftsvergleich als auch um die Einzeltitel als Bannmeister
ausgetragen.
Es gab erstaunliche Leistungen von Crailsheimern. Sieger im Schlagballweitwurf wurde beim Jungvolk Rudolf Leibersberger mit 80,25 Metern. Er gewann
gleichzeitig den Dreikampf mit 2704 Punkten. Im Keulenweitwurf (der „Stielhandgranate") der HJ schaffte Max Hähnle 61,60 Meter. Auch er gewann
gleichzeitig den Dreikampf der HJ mit 2809 Punkten.
- Die „Hohenloher Zeitung“ berichtete am 5. Juli:
5. Reichskleiderkarte nur für Kinder und Jugendliche. Die allgemeine 3. Reichskleiderkarte muss bis Ende 1944 verlängert werden, die 4. bis Ende 1945. Textilien für die Zivilbevölkerung wurden nicht
mehr produziert.
- Die Schulferien begannen am 14. Juli und
dauerten bis 31. August 1944.
- Die Mädchen der 7. Oberschulklasse (11. Schuljahr) wurden nicht in die Schulferien entlassen. Sie wurden zum Kriegseinsatz in der Landwirtschaft
befohlen. Das konnte Kinderbetreuung bei Bauernfamilien sein, aber auch Einsatz in Kindergärten, NSV-Heimen oder als
Hausgehilfinnen in NSV-betreuten Familien. Der Einsatz sollte bis 15. Oktober dauern, dann erst bekamen sie
bis 1. November 1944 Ferien, um sich auf ihr Abitur vorzubereiten. In Crailsheim betraf das vier Mädchen, mehr gingen nicht in die damalige 7. Klasse.
Ihr Mitschüler waren beim Reichsarbeitsdienst oder in der Wehrmacht.
- Im Juli traten
Reisebeschränkungen in Kraft. Reisen in D-Zügen und solche über 100 Kilometer Entfernung wurden genehmigungspflichtig. Bestätigungen konnten von
Dienststellen und Berufskammern auf Kreisebene, Landräten und Oberbürgermeistern ausgegeben werden, was Laufereien voraussetzte. Das Bahnpersonal musste jetzt neben Fahrkarten und Bescheinigung, auch die Personalausweise kontrollieren.
- Es gab nur noch wenige Frauen, die nicht berufstätig oder durch Kriegsdiensteinsätze erfasst waren. Die wurden nun auch aufgerufen. Am 4. Juli hieß es in der „Hohenloher Zeitung": „Es gibt aber immer noch
Frauen, die gerne dem Ruf folgen würden, doch Alters- und Gesundheitsrücksichten oder häusliche Verhältnisse machen ihnen das unmöglich. Für diese alle
steht aber ein schöner Ehrendienst bereit." Sie sollten in den Nähstuben des Deutschen Frauenwerks Strümpfe der
Soldaten stopfen und sich die Flickbeutel kinderreicher Familien vornehmen.
- Im Juli 1944 fand in ganz Deutschland eine Verhaftungsaktion gegen Bibelforscher statt. In Crailsheim hatte die Gestapo die Schutzpolizeiabteilung aufgefordert, die Verhaftungen vorzunehmen. Dies geschah auch. Sie wurden mehrere Wochen in Gestapo-Haft gehalten und dann wieder
entlassen.
20. Juli 1944
Missglücktes Attentat auf Hitler von Oberst Graf Stauffenberg.
und sofortige
Ernennung Himmlers zum Befehlshaber des Ersatzheeres der Wehrmacht.
Aus der Gemeinderatssitzung am 20. Juli 1944
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Sitzung nachmittags oder abends abgehalten wurde. Nachmittags war bereits das um 12:42 Uhr erfolgte Bombenattentat auf Adolf Hitler im Radio bekannt gemacht worden. Laufend folgten Meldungen über die Niederschlagung. Möglicherweise erklärt das, warum nur fünf Gemeinderäte teilnahmen, sich sechs und der Beigeordnete entschuldigen ließen und eigentlich keine gewichtigen Themen behandelt wurden. Die Sitzung wurde nicht abgesagt. Außer dem Bürgermeister nahmen der Stadtpfleger Schwamm und Direktor Lindenmeyer teil. Der stellvertretende Ratschreiber Wilhelm Gebhardt führte Protokoll. Behandelt wurden vor allem der Wirtschaftsplan für die Versorgungsbetriebe 1943 (er war ausgeglichen) und der Stadthaushaltplan 1942 (er war ausgeglichen). Für den nachträglich genehmigten Stadthaushaltplan 1943 erfolgte auch wieder ein Ausgleich und Zuführung in die Rücklagen.
- In Crailsheim gab es keine sichtbaren Auswirkungen des Attentats am 20. Juli 1944. Oberst Fruhner, der Kommandant des Fliegerhorsts, soll einen
formellen Besuch beim Kreisleiter gemacht haben, sonst ging das Leben weiter. Möglicherweise ist eine
speziell für Crailsheim veranstaltete Gedenkfeier der NSDAP für die Gefallenen der Stadt Crailsheim am 30. Juli 1944 in der Spitalkirche durch die
Teilnahme von Oberst Fruhner und dem Bürgermeister als eine Demonstration der Geschlossenheit gedacht gewesen.
Goebbels zum Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz ernannt. Die Ernennung erfolgte am 25. Juli 1944 durch einen Führererlaß. Im
Reichsgesetzblatt
vom 27.Juli 1944 sind die Aufgaben geschildert:
„Der Vorsitzende des Ministerrats für die Reichsverteidigung, Reichsmarschall Hermann Göring, hat das gesamte öffentliche Leben den Erfordernissen der totalen Kriegführung in jeder Beziehung anzupassen. Zur Durchführung dieser Aufgabe schlägt er mir einen ,Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz' vor (Josef Goebbels). Dieser hat im besonderen dafür Sorge zu tragen, dass alle öffentlichen Veranstaltungen der Zielsetzung des totalen Krieges angemessen sind und Wehrmacht und Rüstung keine Kräfte entziehen. Er hat den gesamten Staatsapparat einschließlich Reichsbahn, Reichspost und alle öffentlichen Anstalten, Einrichtungen und Betriebe mit dem Ziele zu überprüfen, durch einen restlosen Einsatz von Menschen und Mitteln, durch Stillegung oder Einschränkung minder kriegswichtiger Aufgaben und durch Vereinfachung der Organisation des Verfahrens das Höchstmaß an Kräften für Wehrmacht und Rüstung freizumachen. Zu diesen Zwecken kann er von den Obersten Reichsbehörden Auskünfte verlangen und ihnen Weisungen erteilen."
Interner SD-Bericht: 28. Juli 1944
Der missglückte Anschlag auf den Führer und der Putschversuch der Offiziersclique haben die Erörterungen über die Lage an den Fronten in den Hintergrund treten lassen. Nachdem sich der erste Schreck über das Attentat selbst gelegt hat, beschäftigen sich die Volksgenossen in ihren Gesprächen mehr mit den Hintergründen und den evtl. Folgen dieses Ereignisses. Eine Verschlechterung der Stimmung ist nach den vorliegenden Meldungen nicht eingetreten. Die Bevölkerung atmet erleichtert auf, dass der Führer dem Anschlag nicht zum Opfer fiel. Fast durchweg ist die Bindung an den Führer vertieft und das Vertrauen zur Führung gestärkt worden, die sich als Herr der Lage gezeigt hat. Nur hin und wieder werden Befürchtungen laut, dass die Ereignisse des 20. Juli unsere politische Lage dem Ausland gegenüber beeinträchtigen. Dagegen macht sich allgemein eine Erhöhung des Kampfgeistes und des Willens zum unbedingten Durchhalten bemerkbar.
Die Volksgenossen können sich immer noch nicht damit abfinden, dass der Anschlag auf den Führer überhaupt möglich war. Sie ergehen sich in den verschiedensten Vermutungen über die „Drahtzieher" und machen ihren Verwünschungen gegen die Täter in sehr drastischer Weise Luft. Immer wieder wird bedauert, dass das gerade bei uns passieren musste, während es bei den anderen bestimmt nicht möglich sei. Hin und wieder wird gefragt, ob denn unsere Lage so schlimm sei, dass selbst Männer aus der nächsten Umgebung des Führers den Glauben an den Sieg und den Mut verloren hätten.
Luftkrieg im Juli 1944
Während im Juni die Crailsheimer relativ ruhig dem Alltag nachgehen konnten, erhöhte sich die Gefahrenlage im Juli wieder deutlich. Im Juli gab es zwölfmal öffentliche Luftwarnung, davon viermal nachts, und achtmal Fliegeralarm, davon dreimal nachts.
Aus dieser Aufzählung ist
nicht erkennbar, wie sehr die Luftkriegsaktivitäten das Leben in der Stadt beeinflussten. Die Luftschutzmaßnahmen wurden ja schon ab Luftwarnung 20 (L 20) und Luftwarnung 15 (L 15), die die Minuten bis zu einem evt. Angriff angeben, in Gang gesetzt. Im
Stadtarchiv liegen die Warnmeldebücher des Jahres 1944 bis einschließlich Oktober. Sie wurden auf dem Polizeirevier im Rathaus auf der Grundlage der von der Luftwarnzentrale in Heilbronn eingehenden laufenden Meldungen über
Feindflugzeugbewegungen geführt.
Für die Woche vom 24. bis 30. Juli, in der es 5mal öffentliche Luftwarnung und 7mal Fliegeralarm gab, wurden
218 Einzelmeldungen erfasst. Allein für den 26. Juli 1944 sind 44 Luftlagemeldungen des Tages angeführt, die zu zweimal öffentlicher
Luftwarnung und einmal Fliegeralarm führten.
Am 21. Juli 1944 während des Fliegeralarms zwischen 10.05 Uhr und 11.57 Uhr wurden etwa um 10.14 Uhr im Feld Roter Buck von einem von Westen nach Ost einfliegenden feindlichen Verband
mehrere hundert Stabbrandbomben abgeworfen.
Im Polizeibericht heißt es:
„Die Brandbomben waren in bombenförmigen Behältern, die wie Sprengbomben mit Leitwerk versehen waren, zum Abwurf gelangt. Nach den Abdrücken auf einem vorgefundenen Zwischenboden müssten in jeder abgeworfenen Sammelbombe je 112 Stück Stabbrandbomben enthalten gewesen sein. Bei diesem Abwurf am Südhang des „Roter Buck" sind mindestens 4, wahrscheinlich aber 5 solcher Behälter abgeworfen worden.“ Ziel waren wahrscheinlich Flugplatzbauten.
Der Bericht beschreibt diese neue Art, Brandbomben abzuwerfen, die für Städte und zur Verursachung von Flächenbränden entwickelt wurde. Solche Brände waren mit Mitteln des zivilen Luftschutzes nicht zu bekämpfen.
In Crailsheim erweckten die Luftangriffe auf Stuttgart im Juli große Befürchtungen. Bei den Angriffen am 25.,26., 28. und 29. Juli gab es 884 Tote (Sauer „Württemberg ... S. 357).
August
August 1944 – Totaler Kriegseinsatz der
Frauen
Erste Anordnung von Goebbels für die Durchführung des
totalen Kriegseinsatzes.
Es werden den Reichsverteidigungskommissaren (meist die Gauleiter) praktisch uneingeschränkte Rechte im Rahmen des totalen
Kriegseinsatzes gegeben. U.a. werden in den Gauen und Kreisen Kommissionen für den Kriegseinsatz der Menschen
gebildet. In der Wochenzeitung „Das Reich" schrieb Goebbels dazu am 13. August 1944 in einem Leitartikel:
„Die ersten Maßnahmen zur Herbeiführung eines totalen Kriegseinsatzes des ganzen deutschen Volkes sind nun getroffen bzw. im Werden ...
Ausschlaggebend für die ganze Aktion erscheint, dass sie völlig undoktrinär angelegt ist und keinen anderen Zweck verfolgt als den, Hunderttausende von
Arbeitskräften in die Rüstungsfabriken und Hunderttausende von Soldaten an die Front zu bringen und dazu das Leben der deutschen Heimat so kriegsmäßig
wie nur eben möglich zu gestalten."
Goebbels ist für die
Bereitstellung der der Wehrmacht zur Verfügung zu stellenden Menschen zuständig, mit denen die großen Verluste ersetzt und zusätzliche 25 Divisionen aufgestellt werden sollen. Die Quote für August 1944 ist mit 300.000 Mann festgesetzt. Den einzelnen Gauen
(Reichsverteidigungsbezirken) werden von Goebbels Einberufungskontingente auferlegt, die auf die einzelnen Berufsgruppen umgelegt werden.
Interner SD-Bericht: 10. August 1944
Die militärischen und politischen Ereignisse in der Berichtswoche bedeuteten für die gesamte Bevölkerung wieder eine schwere Belastung. Das Ausmaß der Besorgnisse und die auf allen Volksgenossen lastende Bedrückung ist weiterhin angestiegen. Vor allem die Lage an der Ostfront, der anhaltende Luftterror, nicht zuletzt aber auch der Abbruch diplomatischer Beziehungen der Türkei zum Reich hat die Bevölkerung stimmungsmäßig außerordentlich negativ beeindruckt. Die Bevölkerung vertritt überwiegend die Auffassung, dass nunmehr der Kreis der Gegner wieder restlos uni Deutschland geschlossen sei, und man müsse sich mit Bangen fragen, ob die militärische Kraft Deutschlands diesem gewaltigen Ansturm noch weiter standhalten könne.
Die Ankündigung des
totalen Krieges bildet weiterhin den Anlass zu lebhaften Debatten und Erörterungen. Man hofft, dass nun endlich bald die entscheidenden Maßnahmen
ergriffen werden. Wozu heute noch Theater und Variete, das seien doch nur Dinge für bestimmte Klassen. „Der für die Leistung arbeitende Mensch findet dazu
doch überhaupt keine Zeit". Film und Rundfunk müssten bestehen bleiben. Aber auch hier könnte man ruhig die oberflächlichen Filme der letzten Zeit
vermissen. Man sollte lieber die alten, wirklich wertvollen Filme wieder aufführen.
Meldungen aus Crailsheim
- Auf dem Crailsheimer
Arbeitsamt mussten sich alle Frauen zwischen dem 46. und 50. Lebensjahr zur Aufnahme einer Arbeit melden, sofern sie nicht bereits erwerbstätig
waren. Vorgegangen wurde auch gegen Scheinarbeit, bei denen Frauen bei Verwandten oder Bekannten Schein-Arbeitsverhältnisse eingegangen waren.
- Der neue Crailsheimer HJ-Bannführer Bechthold entwickelte ziemliche Aktivität und arbeitete dabei eng mit der Waffen-SS zusammen, der er vor seiner Verwundung und Bestellung zum Bannführer angehörte. Über eine erneute Führertagung am 5. und 6. August, die er jetzt monatlich hielt, heißt es in einem Bericht in der „Hohenloher Zeitung":
„Acht bewährte SS-Führer, darunter zwei Träger des Deutschen Kreuzes in Gold und der silbernen Nahkampfspange, unterrichteten die Jungen im Schießdienst und gaben ihnen von ihren Erfahrungen im Kampfe wertvolle Anregungen in der Geländeausbildung."
- Mit Wirkung vom 21. August 1944 wird die bisherige Zuteilungsmenge an Tabakwaren für Männer und Frauen um ein Drittel gekürzt.
- Der Reichsminister des Inneren informierte die Reichsstatthalter und Landesregierungen, dass die Behörden der Mittelstufe demnächst 30 Prozent
ihres derzeitigen Personalstandes für die Wehrmacht und die Rüstung freizugeben hätten. Das betraf ganz
konkret auch die Crailsheimer Stadtverwaltung und das Landratsamt. Auch der stellvertretende Landrat Sautermeister war vom Innenministerium für
einen Einsatz freigegeben worden - nur war die Stellvertretung nicht so schnell zu regeln, so dass er eine Schonfrist hatte.
- Anfang August wurde für die 10- bis 14jährigen Pimpfe und Jungmädel, die ja Ferien hatten, eine Leistungswoche durch Bannführer Bechthold und Bannmädelführerin Paschke anberaumt, in der die Jugendlichen jeden Tag Dienst hatten und mit unterschiedlichen Aufgaben beschäftigt wurden. Für die Mädchen waren das
u.a. Nähen von Spielsachen für bombengeschädigte Kinder, Heilkräuter sammeln, Einsatz in Gärtnereien, Sport und Wandern. Bei den Pimpfen hatte man
entdeckt, dass der Ringkampf angeblich Willens- und Entschlusskraft stärkt, außerdem bekamen sie Gelegenheit das Jungvolkschießabzeichen mit dem Luftgewehr abzulegen. Auch sie wurden zum
Heilkräutersammeln eingesetzt.
- Von den drei Zügen der Crailsheimer Feuerwehr musste jeweils ein Zug von abends 18:00 Uhr bis morgens 6:00 Uhr in der sonst geschlossenen Gastwirtschaft „Rose" in Bereitschaft sein.
- Polizei-Flak in Crailsheim: Unter dem Betreff „Abwehr von Tiefangriffen auf Reisezüge" schickte der Befehlshaber der Ordnungspolizei in Stuttgart mit Datum
22. August 1944 eine Anordnung an den Landrat in Crailsheim. Er teilte hierin mit, dass zu den bisherigen 10 Reisezüge (RS)-Flakwagen weitere 5
eingesetzt werden. Ein Stützpunkt sei Crailsheim, von dem aus die Reisezüge zwischen Crailsheim und Heilbronn beschützt werden sollten Die
Flakwagen waren nur mit Maschinengewehren bestückt und mit Polizeikräften besetzt. In Crailsheim stand dem
Stützpunkt der Wachtmeister der Schutzpolizei Lützelsberger vor, ihm unterstellt waren u.a. die ukrainischen Schutzmänner Lewatschow und
Remez.
SD-Bericht: 17. August 1944
Die fortschreitenden
Erfolge der Anglo-Amerikaner im Westen werden mit immer größerer Sorge verfolgt. Die neuen feindlichen Landungen in Südfrankreich haben der hin
und wieder aufgekommenen Hoffnung, dass es uns trotz allem gelingen wird, Herr der Lage zu bleiben, einen kräftigen Stoß versetzt. Die Argumente der Führung, dass wir den Wettlauf zwischen Erfolgen unserer Feinde und den eigenen Vorbereitungen zu einer Wendung des Kriegsgeschehens bei Einsatz unserer ganzen Kraft noch gewinnen können, setzen sich immer schwerer durch gegen die Ansicht, dass wir gegen die feindliche Überlegenheit auf allen Gebieten ins Hintertreffen geraten.
Luftkrieg im August
- Die einzige überlieferte aktenkundige Luftkriegsaktivität im August über Crailsheim ist in einem Bericht des
Revier-Oberleutnants Hilscher an das Landratsamt vom 4.8. festgehalten. Danach hängte sich in der Nacht - schon nach
der Entwarnung - ein feindlicher Jäger an die nun wieder mit Beleuchtung landenden deutschen Jäger an, gab auch ihre Leuchtsignale und
schaltete seinen Scheinwerfer an, um dann zum Angriff anzusetzen, den er auch noch einmal wiederholte. Über
Schäden auf dem Fliegerhorst gibt es keine Berichte.
September 1944 – Kriegsdienst statt
Schule
Aus der Gemeinderatssitzung am
7. September 1944
Von den 12 noch in Crailsheim befindlichen Ratsherren - zwei befanden sich bei der Wehrmacht - nahmen 6 ander Sitzung teil, vier fehlten entschuldigt und zwei blieben unentschuldigt fern. Geleitet wurde die Sitzung von Bürgermeister Fröhlich, protokolliert hat sie der stellvertretende Ratschreiber Gebhards, von der Stadtverwaltung waren bei sie betreffenden Punkten anwesend: Direktor Lindenmeyer, Stadtbaumeister Kiederlen, Stadtoberinspektor Reinthaler.
Bekanntgegeben wurden die sogenannten
Dringlichkeitsentschließungen des Bürgermeisters, die ohne vorherige Diskussion im Gemeinderat getroffen wurden, fast ausschließlich
Personalangelegenheiten.
Wichtig
war der Fortgang der beschlossenen Ansiedlungsmaßnahmen für Umsiedler, die Entlastungen für die
Arbeitskräftesituation bringen sollten. Dazu war in der Sitzung
am8. Juni 1944 vorgesehen worden, in die ehemalige Synagoge Wohnungen
einzubauen und eine Reihe von Wohnbaracken auf der Grundlage einer dazu zu gründenden Gesellschaft zu erstellen. Dazu war es noch nicht gekommen.
Für die Stadtverwaltung
und für die Fa. Speer & Gscheidel waren unverhofft je 20 englische Kriegsgefangene angekündigt, für die nun wieder die Synagoge zur Unterbringung
vorgesehen wurde. Sie waren zwar noch nicht eingetroffen, aber die Synagoge sollte weiterhin für beschäftigungsbereite Kriegsgefangene freigehalten werden.
Die Grundstücksfragen für den Barackenbau blieben ungeklärt, da es einen Einspruch der Umsiedlerorganisation gab. Außerdem hatte die Reichsbahn, die überraschend 50 Kriegsgefangene für Bahnbauarbeiten erhielt, einen vorgesehenen Barackenplatz beansprucht.
Drei der Umsiedlerfamilien waren aber schon eingetroffen, die im alten jüdischen Gemeindehaus untergebracht worden waren. Es musste neu geplant
werden.
Kirchengemeinderatssitzung der Evang. Johanneskirche am 11. 9. 1944
Wenn es dringende Angelegenheiten gab, dann erfolgte die Information der Kirchengemeinderatsmitglieder informell telefonisch oder mündlich durch Dekan Matthes.1944 fand nur eine Sitzung des Gesamt-Kirchengemeinderates statt,
der zu diesem Zeitpunkt aus 20 Personen bestand, nämlich aus 15 Crailsheimern und 5 Ingersheimern. Anwesend waren 8 Kirchenräte aus Crailsheim und 5 aus
Ingersheim. Eröffnet wurde die Sitzung durch Dekan Matthes mit einer Fürbitte für Führer und Volk, Wehrmacht und
Heimat, Einberufene und (nicht lesbar) sowie Trauernde der Gemeinde, Kirchengemeinde und Kirche. Das (schwer lesbare) handschriftliche Protokoll schrieb Dekan Matthes. Es ist im Archiv der
Johanneskirche vorhanden.
Zur Sprache kamen diese Punkte.
- Verlängerung der Amtszeit von Kirchenpfleger Georg Leiberich (dessen Vertretung auch immer durch seine Frau gegeben war).
- Der detaillierte Haushaltplan mit dem Steuerbeschluss für 1944. Wobei es offenkundig war, dass die Kirchensteuern nicht ausreichen würden und sehr gespart werden müsste.
- Der Anstellungsvertrag für die Kirchenhelferin Margarete Zeuner (später uns als Schwester und Oberin im Diakonissenhaus in Schwäbisch Hall bekannt).
- Ein Kirchenaustritt wurde mit Bedauern bekannt gegeben.
- Informiert wurde über die Imprägnierung der Kirchengebäude mit Flammenschutzmitteln und über eine - aber reparierte - Beschädigung der Orgel.
- Die schon länger veranlasste Sicherung der unter Denkmalschutz stehenden Baudenkmale war noch immer nicht abgeschlossen. Nur das Denkmal der Ursula v. Braunschweig war nicht nur umbrettert, sondern auch ummauert. Es fehlten Bausteine.
- Unter sonstigen Luftschutzmaßnahmen wurde auch von einer Schulung des Selbstschutztrupps der Johanniskirche berichtet. Ihm gehörten die Hausbewohner des Dekanats- und des Pfarrhauses an, aber auch Bäckermeister Baier. Die Belehrung nahm Rudolf Täschner vor.
- Im Dekanatshaus sollte auf Veranlassung der Stadt eine Notwohnung unter dem Dach eingebaut werden.
- Deutlich fiel ein Angriff gegen die Crailsheimer SA aus, die im Februar bei einem Begräbnis vor dem kirchlichen Teil abzog.
- Ganz scharf formuliert war der letzte Punkt mit dem Titel "Haltung des HJ-Bannführers Bechthold". Im Protokoll:
„Der Vorsitzende trägt vor: Der HJ-Bannführer Bechthold hat am 11. Juni 1944 vor HJ-Führern eine Hetzrede gegen die kath. u. evang. Pfarrer als „Pfaffen" gehalten und keinen Zweifel daran gelassen, dass HJ-Führer nicht der Kirche angehören sollten. Der Vorsitzende hat die darauf anstehende Zusammenkunft des Feldbischoffs D. Dohrmann, des Wehrkreisdekans Schieberen, des Herrn Oberst Fruhner und des Herrn NS-Führungsoffiziers Oberleutnant Weißer vom Flugplatz imStadtpfarrhaus benutzt, um Beratung zu (er)bitten. Herr Oberst Fruhner hat sich hierbei angeboten, wegen der Äußerungen des Bannführers mit dem Kreisleiter zu sprechen.
Schanzeinsatz am Westwall
Am 30. August 1944 erließ Hitler einen „Befehl über Verteidigungsbereitschaft des Westwalls." Konkret hieß es: „Der Ausbau ist mit den Mitteln eines Volksaufgebotes durchzuführen. "
Zusätzliche Arbeitskräfte mussten die unmittelbaren Nachbargaue stellen. Der Gau Baden-Elsaß sollte diese Arbeitskräfte aus dem Gau Württemberg bekommen.
Am 1. September 1944 erfolgte noch eine Anweisung zusätzlich über die Reichsleitung der NSDAP an die Gauleiter: „Die Gauleiter sind verpflichtet, alle Mittel einzusetzen, damit der Stellungsbau in kürzester Frist durchgeführt werden kann. "
Woher diese Arbeitskräfte des „Volksaufgebotes" kommen sollten, stand nicht in dem Befehl. Von Hitlerjugend war nicht die Rede. Anscheinend war das den Gauen selbst überlassen. Hier wurden, da es nach einem befristeten Einsatz aussah, zuerst die Behörden und Dienststellen „durchgekämmt".
Das erste prominente „Opfer" in Crailsheim war Stadtinspektor Gebhardt. Bürgermeister Fröhlich ließ darüber am 11. September ein Protokoll für den Gemeinderat verfassen, aus dem hervorging, dass dies eine Dienstverpflichtung im Rahmen einer Anordnung des Gauleiters vom 10.September sei, die durch den Kreisleiter erfolgte. Gebhardt musste sich schon am 12. September bei der Kreisleitung zum Abtransport einfinden. Zum Stellvertreter als Leiter der Bürgermeisterkanzlei wurde Stadtoberinspektor Reinthaler neben seinen anderen Tätigkeiten bestellt.
Der offizielle Befehl zum Einsatz der Hitlerjugend kam am 16. September durch einen Erlass des Reichsministers
des Inneren an die Reichsverteidigungs-kommissare. In Crailsheim erfuhr die Öffentlichkeit davon - und über die Umstände - durch einen Artikel in
der „Hohenloher Zeitung" vom 20. September. Der Einsatz der Crailsheimer Hitlerjungen vor Ort erfolgte ab 23.
September 1944.
Arbeitseinsatz der Volksschüler
Auch Dreizehnjährige kamen in der letzten Phase des Krieges zum
Arbeitseinsatz, das geht aus dem Klassenbuch einer Crailsheimer Mädchen-Volksschulklasse hervor. Die „Hohenloher Zeitung" berichtete erst am 10.Oktober 1944 darüber. Der Einsatz erfolgte jedoch bereits am 12. September, kurz nach Schulbeginn. Dümmlich mutet eine Art entschuldigender Satz im Artikel an: „Es
sei deshalb auch daran erinnert, dass noch vor nicht allzu langen Jahren in verschiedenen Gegenden unseres Landes das achte Volksschuljahr überhaupt noch
nicht üblich war."
Der Artikel hatte diese Überschrift:
Das achte Schuljahr arbeitet
Von der Bewährung und Betreuung der
ältesten Volksschüler
„Der totale Kriegseinsatz stellt nun auch die Schüler der achten Volksschulklassen vor gänzlich neue Aufgaben. Es entspricht den Forderungen unseres ernsten und harten Kriegsalltags, dass unsere Jungen und Mädel zu kriegswichtigen Arbeiten herangezogen werden, soweit es ihren Kräften zuträglich ist....
Die Jungen und Mädel der achten Volksschulklassen, die jetzt vom Volksschulunterricht beurlaubt sind, sollen und werden weitgehend gleich den Betrieben und Berufen zugeführt, in denen sie dann ihre Berufsausbildung beginnen können. Die Berufsberatungen der Arbeitsämter sind angewiesen, dieser Absicht, soweit nicht wichtigere Kriegseinsätze in anderen Berufen augenblicklich vorgehen, auf jeden Fall Rechnung zu tragen. Die Grundsätze der Berufsaufklärung und Berufsnachwuchslenkung sind auch hier für die zuständige Dienststelle verbindlich....
Gesunde und tüchtige
Jungen und Mädel sollen möglichst in landwirtschaftliche Berufe kommen. Der Landdienst der Hitler-Jugend hat sich zum Ziel gesetzt, solche Jungen und
Mädel aus der Stadt wieder aufs Land zu bringen und sie auf den Beruf des Bauern und der Bäuerin vorzubereiten. Für die Jugendlichen der achten Volksschulklassen ist eine Gesamtarbeitszeit von 36 Stunden in der Woche festgelegt. Die Jugendlichen dürfen
aber täglich nicht länger als 6 Stunden arbeiten.... Freizeit und Erfüllung des gesetzlichen Dienstes im Jungvolk und bei den Jungmädeln muss gewährleistet werden."
Überfüllte Klassen und Lehrermangel in der Crailsheimer
Oberschule
Das Schuljahr 1944/45 begann am Freitag, dem 1. September 1944. Der Unterricht musste in übervollen Klassen erteilt werden. Die Zahl der Schüler und Schülerinnen:
Klasse 1 = (5. Schuljahr) = 85 Schüler in 2 Klassen,
Klasse 2 = 58 Schüler,
Klasse 3 = 55 Schüler,
Klasse 4 = 54 Schüler,
Klasse 5 = 48 Schüler,
Klasse 6 = 35 Schüler,
Klasse 7 und 8 (gemeinsamer Unterricht), mit einer
Ausnahme sind es nur noch Mädchen =12 Schüler.
Eine Auswertung des Klassenbuchs der Klasse 3 (7. Schuljahr) zeigt die Verteilung der Stundenzahl pro
Fach, obwohl es in der Praxis durch Lehrerausfall und Fliegeralarm immer Verschiebungen gab:
Deutsch 4; Mathematik 4; Englisch 3, Latein 3;
Geschichte 2; Biologie 2; Erdkunde 1;
Zeichnen 2; Musik 1; Turnen 1; Religion 1.
Der Normalunterricht war 5 Stunden pro Tag, am Sonnabend 4, wobei es durch Verschiebungen nicht jeden Tag die
volle Stundenzahl, andererseits es auch schon einmal 6 und 7 Stunden gab. Außerdem wurde in dieser Klasse beim Deutsch-; Mathematik- und
Englisch-Unterricht die Klasse geteilt.
Generell wurde der Unterricht häufig durch Luftlagewarnungen unterbrochen, und zwar schon vor der öffentlichen Luftwarnung, um den
Schülern noch die Möglichkeit zu geben, zu Hause den Luftschutzraum aufzusuchen oder aus der Stadt herauszugehen. Wenn nachts öffentliche Luftwarnung oder Fliegeralarm war, durften die
Schüler eine Stunde bei längeren Alarmen auch zwei Stunden später kommen. Für die im Schanzeinsatz befindlichen Schüler ab Klasse 5 begann der
Schulunterricht erst ab Anfang November wieder.
Unterrichtet haben im Schuljahr 1944/45: Studiendirektor Gustav Sigle, Studienrat Alfred Baitinger, Oberpräzeptor Karl Burkhardt, Oberstudienrat Isidor Fischer, Oberreallehrer Karl Hofmann, Studienassessorin Isolde Matches, Studienrat
Oswin Mutschier, Studienrat Siegfried Pfauth, Oberstudienrat Joseph Vogt, Studienrätin Dr. Elise Walter, Reallehrer Adolf Weiler.
Ernährungslage
Eine Erklärung vom Reichsernährungsministerium wurde zum „6. Kriegserntedanktag" am 30. September 1944 in der „Hohenloher Zeitung" veröffentlicht. In ihr wurde herausgestellt, dass nun nur noch die Erträge der heimischen Landwirtschaft zur Verfügung stehen, dass aber trotz aller Schwierigkeiten die Verhältnisse keineswegs den katastrophalen von 1918 auch nur annähernd gleichen. Die erwartete Ernte wurde mit „Mittelernte" bezeichnet.
Es hieß aber doch, dass
die Brotrationen geringfügig gesenkt werden mussten, die Schlachtgewichte der Schweine zur Futtereinsparung vermindert und die Ferkelzahlen verringert wurden. Der dadurch vorübergehend
stärkere Fleischanfall sollte die Reduzierung der Fett-Zuteilung kompensieren. Zur Stärkung der Futterbestände musste auch die Bierherstellung gesenkt werden,
ebenso die Herstellung von Ersatzkaffee. Zucker für die Herstellung von Kuchen könne den Bäckern und Konditoreien nicht mehr zugeteilt werden, um die
Haushaltsrationen aufrecht erhalten zu können.
Die Schraube wird weiter angezogen
- Die Quote für die zusätzliche Bereitstellung von Personal für die Wehrmacht ist für September auf 400.000 Mann
festgesetzt. Die Luftwaffe soll 100.000 Mann für das Heer freigeben, die Rüstungsindustrie soll 50.000 bisher „unabkömmlich" gestellte Facharbeiter
freigeben und das Heer den hauptsächlichen Rest aus Verwaltungsstellen „auskämmen".
- Es erfolgte die Aufstellung eines Flakwaffenhelferinnenkorps aus aktiven oder gedienten Angehörigen des weiblichen Arbeitsdienstes. Ein Einsatz an Waffen war nicht vorgesehen.
- Die Verordnung über die 60-Stunden-Woche wurde im Reichsgesetzblatt verkündet.
„In allen Betrieben und Verwaltungen, in denen es der Arbeitsanfall und die Produktionslage bedingen, ist ab sofort die regelmäßige
Arbeitszeit von 48 Wochenstunden um 12 Arbeitsstunden wöchentlich zu erhöhen.... Die regelmäßige Arbeitszeit
der Frauen und der Jugendlichen über 16 Jahren ist nur um 8 Überstunden wöchentlich zu erhöhen."
Meldungen aus Crailsheim
- In den
Zeitungsberichten über die Aktivitäten des HJ-Bannes Hohenlohe (Kreis Crailsheim) taucht der Name des bisherigen Bannführers Bechthold nicht mehr
auf. Befehle unterschreibt erneut ein k-Bannführer, und zwar Oberscharführer Finkbeiner. An der BdM-Führerinnen-Tagung am Sonntag, dem 10. September, nimmt kein vorgesetzter Bannführer teil. Die Politrede hält der Kreisleiter Hänle. Die Bannmädelführerin Elisabeth
Paschke verabschiedet die Leiterin des BdM-Werkes „Glaube und Schönheit", Hauptgruppenführerin Male Schuhmann, und führt ihre Nachfolgerin,
Gruppenführerin Hanne Hartmann, ein.
In der Arbeitsbesprechung steht der totale Kriegseinsatz im Vordergrund. Als Aufgaben werden aufgezählt: Lazaretteinsatz, Haushalthilfe, Sammelaktionen, Einsatz in den Volksschulklassen,
Luftschutzeinsatz, Landdienstwerbung und Kriegsbetreuungsdienst.
- Von den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen
der Banndienststelle traten mehrere ihre Kriegsdienstverpflichtung zum Werkseinsatz im Boschwerk in Crailsheim an.
- Der Jahrgang 1928, damals
15- und 16jährig, wurde nochmals aufgefordert, sich freiwillig zur Wehrmacht oder zur Waffen-SS zu melden. (Was meist bereits erfolgt war, denn hiermit war noch immer verbunden, sich zu einem bestimmten Truppenteil melden zu
können.)
- In der Chronik der katholischen Kirche St. Bonifatius heißt es: „Die Pfarrbücher mussten aus der gefährdeten Stadt in Sicherheit gebracht werden; die abgelegene Mittelmühle bei Westgartshausen war hierfür eine geeignete Stätte."
- Der Einsatz von ausländischen Arbeitskräften und Kriegsgefangenen in der Landwirtschaft lag im Kreis Crailsheim bei 64 Prozent der eingesetzten Arbeitskräfte.
- Am 26. September wurden erstmalig in der „Hohenloher Zeitung" die Namen einer Reihe von Verdunklungssündern in einer amtlichen Anzeige
und ihre Geldstrafe veröffentlicht. Die Maßnahme war vorher bekannt gemacht worden. Trotzdem löste es eine
Welle der Verärgerung über das „an den Pranger stellen" aus, was wiederum zu einem Leitartikel auf der Lokalseite am 28. September führte: " ... dass es
sich nicht um eine leere Drohung handelt, dass die örtliche Luftschutzleitung Ernst macht und dabei ohne Ansehen der Person verfährt. Die Volksgenossen müssen sich auch darüber klar sein, dass die strenge Verdunklungskontrolle keine polizeiliche
Schikane bedeutet, mit der die Bewohner belästigt werden sollen...."
Luftkrieg im September 1944
Nach dem Krieg gaben Bürgermeister Fröhlich und Polizeileiter Hilscher in Berichten Beispiele für die Häufigkeit des Fliegeralarms. Sie führen beide z.B. für den 28. September an: viermal „öffentliche Luftwarnung" (Voralarm) und zweimal „Fliegeralarm".
Bekannt sind sieben
Wochentage, an denen die Schüler später in die Schule kommen durften. An sieben Wochentagen fällt der Schulunterricht ganz oder teilweise wegen
öffentlicher Luftwarnung oder Fliegeralarm aus.
In Stuttgart fand am 9.
September der schwerste Angriff des Jahres 1944 statt. Es gab 957 Tote. Ein Zug der Crailsheimer Feuerwehr leistete in Stuttgart Hilfe.
Oktober 1944
„Heldenklau” geht auch in der Rüstungsindustrie um
„Heldenklau" war eigentlich der Spitzname für einen General, der damit beauftragt war, in allen Verwaltungsstellen der
Wehrmacht nach abkömmlichem Personal zu suchen, um es den Fronttruppen zuzuführen. Jetzt aber wurde auch die Rüstungsindustrie durchkämmt.
Die Quote für die Bereitstellung von zusätzlichen Kräften für die Wehrmacht wurde von Goebbels für den Monat Oktober auf 244 000 Mann festgesetzt. Dazu sollte auch der Rüstungsminister Speer mit 100 000 Mann beitragen, und zwar aus den bisher für die Rüstungsproduktion
unabkömmlich gestellten Fachkräften. Speer wehrte sich vehement gegenüber Goebbels, der die Alternative Waffen oder Soldaten nicht akzeptierte. Hitler
entschied sich gegen Speer.
Meldungen aus Crailsheim
- Am 19. Oktober 1944 erschien diese Meldung in der „HohenloherZeitung":
„Alle Fabriken, Ämter und Dienststellen, die Jugendliche im Alter von 10-15 Jahren zu Botengängen u.ä. verwenden können, wenden sich an die Kriegseinsatzstelle des Bannes Hohenlohe unter Angabe von
Art und Dauer der Beschäftigung. Die Einsatzzeit darf vier Stunden nicht überschreiten." Die Eltern der Hitlerjungen mussten eine Einverständniserklärung
unterschreiben.
- Aus der Chronik von St. Bonifatius: „Im Lazarett mehren sich die Sterbefälle verwundeter Soldaten. Es waren mehr Begräbnisse von Soldaten, die im Lazarett gestorben waren, zu halten. Keine leichte
Aufgabe."
- Stuttgarter Luftwaffenhelfer in Crailsheim: Während die Luftwaffenhelfer aus der damaligen Klasse 6 der Crailsheimer Oberschule hauptsächlich in Ost-Oberschlesien zum Schutz der Hydrierwerke
im Umfeld von Auschwitz eingesetzt waren, kamen Anfang Oktober 1944 gleichaltrige Luftwaffenhelfer aus Stuttgart von
der Höheren Handelsschule nach Crailsheim. In einem Brief schrieb einer von ihnen - ein Nachbar des Autors in Schönaich:
„Nach meinen Unterlagen sind wir (Leichte Heimatflakbatterie 24/VII, Standort Herbertingen bei Saulgau; Batteriechef Oberleutnant Möbius, später Leutnant Kahle) am Donnerstag, 5. Oktober 1944, morgens 8 Uhr von Stuttgart, wo wir ausgebildet worden sind, über Mettingen in Crailsheim angekommen und haben dann gleich mit dem Stellungsbau am Fliegerhorst vor Roßfeld angefangen. Später, etwa zweite Oktoberhälfte, wurden wir in Stellungen an der Haller Straße, in Höhe der gegenüber liegenden Siedlung, verlegt. Es gab an beiden Stellen vorher noch keine Flakstellungen. Wir waren bei allen feindlichen Tieffliegerangriffen auf den Fliegerhorst aktiv und natürlich bei allen Feindmeldungen in Feuerbereitschaft.
Die Stuttgarter sollten ihren Schulunterricht mit der vergleichbaren Klasse inder
Oberschule erhalten. Das war zu dieser Zeit fast kontinuierlicher Feuerbereitschaft nie
möglich. Stuttgarter oder Crailsheimer Lehrer kamen nie in die Flakstellung.
- Am Montag, den 16. Oktober hielt Kreisleiter Hähnle eine Kreisarbeitstagung für alle Ortsgruppenleiter des Kreises „im Vertrauen zum Führer und im Glauben an den Sieg“ in der
Theatergaststätte ab. Außer Hänle sprachen Kreispropagandaleiter Sill, Kreisbauernführer Riklaß, Kreispresseamtsleiter Brech, der Kreisobmann der Deutschen Arbeitsfront Rast, der Hauptstellenleiter
Kurz, Kreisamtsleiter Beck. Den Schluss der Tagung bildete eine Vortrag des Kreisschulungsleiters Wolfmeyer über Wesen und Art der Schulung im gegenwärtigen Entscheidungskampf.
- Die „Hohenloher Zeitung“ veröffentlichte am 23. Oktober 1944 den HJ-Winterdienstplan 1944/45. Danach galt für die Hitlerjugend: Kriegseinsatz geht dem planmäßigen Dienst auf jeden Fall vor.
Geplant war u.a., was bishervon Betrieben an Heimarbeiter vergeben wurde, in den HJ-Dienst zu integrieren. Dazu sollten Heimabende genutzt werden.
Luftkriegsaktivitäten im Oktober
Crailsheim hatte im Oktober 44mal öffentliche
Luftwarnung, davon fünfmal nachts, sowie 14 mal Fliegeralarm, davon einmal nachts.
Es gibt auch zwei Berichte vom Leiter der Crailsheimer Schutzpolizei Hilscher, und zwar über Luftkriegsaktivitäten über Crailsheim am 2. und 8. Oktober
1944:
Am 2. Oktober 1944 zwischen 20.54 Uhr und 21.25 Uhr griff ein feindliches Jagdflugzeug mit seiner Bordkanone über dem Stadtgebiet Crailsheim Schulflugzeuge des Fliegerhorstes Crailsheim an.
Der Angriff erfolgte ohne Luftwarnung. Erst nachdem der Feindjäger in einem ersten Anflug angegriffen hatte, wurde durch Luftlagemeldung bekannt, dass aus dem Raume Eberbach feindliche Jäger im
Anflug auf Crailsheim seien.
Der feindliche Jäger griff insgesamt dreimal an. Als er zum
3.Angriff ansetzte, wurde er von der Zugbegleitflak auf dem Bahnhof Crailsheim beschossen. Beim Abflug des feindlichen Jägers nach NO wurde von Bewohnern der
Stadt beobachtet, dass eine Tragfläche des Flugzeuges brannte. Etwa um 21.25 Uhr meldete der Meister d. SchP. Winkler fernmündlich von der Polizeiwache aus, dass in der Nähe der Rotmühle ein
Flugzeug abgestürzt sei und brenne. Auftragsgemäß begaben sich Meister Winkler und Hauptwachtmstr. Hörner mit Fahrrädern nach der Rotmühle. Das
abgestürzte Flugzeug verbrannte unweit der Grenze auf Markung Crailsheim-Ingersheim zwischen Rotmühle und Stöckenhof. Der Pilot, ein Feldwebel vom Fliegerhorst
Crailsheim, wurde etwa 100 m westlich der Absturzstelle tot aufgefunden. Er war durch Bordwaffenbeschuss des feindlichen Jägers an einem Oberschenkel verwundet worden. Die Gurte seines Fallschirms waren durchschossen oder gerissen. Das
Fallschirmpaket war durch den Bordwaffenbeschuss beschädigt. Es steht nicht fest, ob der Pilot zu spät
absprang oder ob sich sein Fallschirm nicht öffnete.
Der feindliche Jäger ist
östlich Hengstfeld abgestürzt und verbrannt, nachdem seine Besatzung mit Fallschirmen ausgestiegen war. Ein Mitglied dieser Besatzung wurde noch
am gleichen Abend in der Nähe von Volkershausen gesehen und dem Bahnwartposten bei Volkershausen übergeben, wo er von Oberst Fruhner abgeholt worden sein
soll. Bez. Oberleutnant der Gendarmerie Bux hat in dem betreffenden Bereich sofort die Landwacht alarmiert. Der 2.Pilot ist am anderen Morgen bei Untermünkheim, Kreis Schwäb.Hall, vom
Ortsbauernführer festgenommen worden. Der in der Gegend von Ellrichshausen aufgegriffene Pilot wurde von einer Frau festgenommen und dem Bahnwartposten bei
Volkershausen übergeben.
Crailsheim hatte am Sonntag, dem 8.Oktober 1944, fünfmal öffentliche
Luftwarnung und zweimal Fliegeralarm. Wenige Minuten nach der 5.öffentlichen Luftwarnung, welche um 15.18 Uhr erfolgte, griffen zwei feindliche
Jagdflugzeuge von Westen her den Fliegerhorst Crailsheim an und beschossen ihn mit Bordwaffen. Etwa 10 Minuten
später durchstießen eine Anzahl feindlicher Jagdflugzeuge die Wolkendecke über Crailsheim, lösten sich nach den Beobachtungen von Straßenpassanten
in 3 Ketten auf, von denen die erste Kette mit 3 Flugzeugen sofort von Osten her zum Angriff ansetzte und über den
Stadtkern aus allen Bordwaffen das Feuer auf den Fliegerhorst eröffnete. Vom Fliegerhorst her war alsbald
stärkere Rauchentwicklung wahrzunehmen. Um 16.42 Uhr erfolgte Fliegeralarm.
In der Stadt entstand eine recht unangenehme Situation. Die Straßen waren an diesem herbstlich schönen Sonntagnachmittag stark belebt. Die beiden
Lichtspielhäuser waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Vorführungen wurden nach dem Fliegeralarm
abgebrochen und im großen Haus begaben sich die Besucher in den Schutzraum (Theatergaststätte) . Die hohen Gebäude um den
Vorplatz des Kinos und die voll belaubten Kastanien in der unteren Ludwigstraße haben zweifellos die Menschenmenge der Sicht nach oben entzogen, so dass sie
von den feindlichen Jägern nicht bemerkt wurde.
Hilscher: Der Angriff wiederholte sich nach dem Fliegeralarm noch zweimal. Für das Lichtspieltheater Kleines Haus war die Situation noch schwieriger, weil dort keine Deckung gegen Sicht geboten ist. Ich befand mich selbst im Kleinen Haus und habe zusammen mit dem Leutnant Hage die Menschen beruhigt und die Menge im Lichtspielhaus zurückgehalten, weil sie hinter den Mauern immerhin einigermaßen geschützt war. Nachdem zu erkennen war, dass der Angriff beendet ist, wurden die Leute stuhlreihenweise in die Schutzräume geschickt.
Im Gebiet der Stadt Crailsheim sind Personenschäden nicht entstanden. Im Fliegerhorst sollen durch den Beschuss 4 Flugzeuge verbrannt sein, außerdem
entstand auch dort einiger Gebäudeschaden. Verluste scheinen dort nicht entstanden zu sein.
Auf der Eisenbahnstrecke zwischen
Crailsheim und Maulach wurde ein Personenzug beschossen, wobei der Lok-Führer und sein Heizer verwundet wurden. Der feindliche Beschuss war sehr heftig
und anhaltend, gefeuert wurde vom Gegner mit Bordkanonen, überschweren Maschinengewehren und LMG. Das konnte durch aufgefundene Geschosse und Patronenhülsen
festgestellt werden. Seitens des Fliegerhorstes Crailsheim wurde das Feuer aus einer Anzahl Maschinenwaffen erwidert.
Aus einer Meldung des Gendarmerie-Postens in Crailsheim vom 13. Oktober 1944 geht noch hervor, dass es sich bei dem oben erwähnten
Lokomotiv-Führer um Wilhelm Täschner aus Crailsheim und seinen ukrainischen Heizer Viktor Holuby gehandelt hat.
Dieser Bericht schildert auch den Beschuss einer Güterzug-Lokomotive beim Bahnposten Ölhaus, bei dem der Lokomotiv-Führer Karl Wilhelm Hager aus Crailsheim getötet wurde. Sein ukrainischer Heizer Iwan Dischenko wurde schwerverletzt, sein linker
Arm wurde abgeschossen. Am gleichen Tag wurde ein Güterzug mit einem Crailsheimer Lokomotiv-Führer bei
Großaltdorf angegriffen. Martin Köhnlein und sein ukrainischer Heizer Michael Semich erlitten Verwundungen.
November 1944
Noch mehr Flüchtlinge und Evakuierte
Der Reichsminister des Inneren erhöhte im November das Aufnahmesoll des Gaues Württemberg von 400.000 auf 600.000 Evakuierte.
Meldungen aus Crailsheim
- Am 11. und 25. November wurden wieder in der „HohenloherZeitung" Verdunklungssünder „an den Pranger" gestellt und die Strafen für sie
veröffentlicht.
- Bisher erhielten die Verbraucher im Monat ein Paket Waschmittel im Gewicht von 250 Gramm. Da diese Mengen nicht mehr zur Verfügung
standen, wurden die Reichsseifenkarten des Monats November bis 10. Dezember 1944 verlängert.
- Aus der Chronik von St. Bonifatius:
„Der abendliche
Kriegsrosenkranz war (im Herbst) sehr schwach besucht, und nur sehr wenige Besucher versammelten sich unter dem Bild der Gottesmutter. Vielleicht war
schuld an dem schwachen Besuch die Angst vor etwaigen Fliegerangriffen, teilweise aber war es der Zeitgeist, sodass man weniger auf das Gebet vertraute
als auf andere Mächte. Aber selbst in dieser Situation des Volkes und der Kirche konnten es einige Gemeindemitglieder nicht lassen, aus törichter, unbegründeter Ehrsucht gegen den Pfarrer Stellung zu nehmen."
Pfarrer Ohrnberger war anscheinend wieder einmal - wie schon zuvor - angezeigt worden. Der Grund ist nicht bekannt, er konnte aber weiter seinen
Dienst tun.
- Unter den im November 1944 gefallenen Crailsheimern war auch der ehemalige Bannführer der Hitlerjugend Ernst Gehrung.
Die Feiern zum 9. November
Die öffentlichen Feiern des nationalsozialistischen
Gedenktages an den 9. November 1923, an dem es in München beim Putschversuch - dem sogenannten Marsch zur
Feldherrnhalle - 16 Tote gab, wurden auf Sonntag, den 12. November verschoben. Die Verschiebung erfolgte das erste Mal und geschah, um keine
Arbeitsausfälle zu haben.
Ausnahme blieben zwei Veranstaltungen in Crailsheim. Oberst Fruhner, Kommandant des Fliegerhorsts und gleichzeitig Standortältester, veranstaltete eine Feier für die in Crailsheim stationierten Soldaten und hielt eine Rede dazu, die der Kreisleiter auch
nicht kämpferischer hätte halten können. (Wie man generell aus den Zeitungsberichten des Jahres 1944 den Eindruck bekommt, dass der Luftwaffen-Oberst Teil des NS-Establishments in Crailsheim war.)
Eine zweite Veranstaltung fand in der Jahnhalle für die marschfähigen Verwundeten des Reservelazaretts Crailsheim - es waren 260 - statt. Diese Gedenkfeier, die für alle Gefallenen der beiden Weltkriege und die Opfer des Bombenkrieges gehalten wurde, stand unter dem Motto „Und Ihr habt doch gesiegt". Die Rede hielt hier der NS-Führungsoffizier des Lazaretts, Leutnant Hage. Die HJ-Singspielschar umrahmte die Veranstaltung mit Musikbeiträgen. Die öffentliche Feier am Sonntag, dem 12. November, wurde in die Vereidigung des Volkssturms integriert.
Luftkrieg im November
Am 1. November 1944 feuerte ein feindliches Flugzeug über der Stadt, und zwar unmittelbar über dem Postgebäude mit dem
Maschinengewehr auf ein unbekanntes Ziel. Die Eisenbahnflak schoss auf das Flugzeug. Schaden ist nicht entstanden.
Am 5. November erfolgte ein Tieffliegerangriff auf den Flugplatz und auf einen bei Maulach gestoppten Zug. Der Bericht desGendarmeriepostens in Crailsheim:
Der Gendarmerie-Bericht:
„Am Sonntag, den
5.11.44, in der Zeit zwischen 14 und 14.35 Uhr, während in Crailsheim öffentliche Luftwarnung gegeben war, wurde der Fliegerhorst Crailsheim und der Bahnhof Maulach, Gde. Roßfeld von 6 feindl. Jagdflugzeugen überraschend angegriffen. Dabei wurde ein feindliches
Jagdflugzeug durch Flak-Abwehr des Fliegerhorst in Brand geschossen, das bald darauf im Waldteil Lichtmeßklinge, Markung
Oberspeltach, in einer Fichtenkultur abgestürzt ist. Dabei ist nur geringer Waldschaden entstanden. Das Flugzeug geriet in Brand und wurde vollständig zerstört. Der Flugzeugführer konnte sich noch rechtzeitig durch Absprung mit Fallschirm retten und ist im Waldteil Kuhloch, Gde. Onolzheim,
Krs. Crailsheim abgesprungen.
Bei den sofort eingesetzten Fahndungsmaßnahmen durch Gendarmerie und Landwacht konnte der Flugzeugführer alsbald
ergriffen werden. Derselbe hatte sich inzwischen in einem Holzlager, etwa 800 m südlich der Absprungsteile,
hinter einem Bretterhaufen versteckt. Bei dem Flugzeugführer handelt es sich um den amerikanischen Major Frank Connor, Erkennungs-Nummer 0/730 584 T 42 -
43. Er wurde nach erfolgter Festnahme dem Fliegerhorst Crailsheim übergeben.
Bei dem Angriff auf den
Fliegerhorst Crailsheim und Bahnhof Maulach, der im Tiefflug erfolgte, wurde eine in der Nähe des Fliegerhorstes am Boden aufgestellte deutsche Maschine
schwer beschädigt. Auf dem Bahnhof Maulach hielt zu der genannten Zeit ein Transportzug. Die feindlichen Flieger haben durch Bordwaffenbeschuss die
Lokomotive und mehrere Güterwagen beschädigt, wobei ein Wagen, welcher mit Zellwolle beladen war, zum Teil ausgebrannt ist. Einige Wagen des Zuges waren
mit einem Transport kroatischer SS-Sträflinge, die nach dem SS-Straflager Mosbach in Baden verbracht werden
sollten, besetzt, wobei ein kroatischer SS-Sträfling einen Kopfschuss erhielt und tödlich verwundet wurde.
Sechs weitere Sträflinge wurden teils schwer und teils leichter verletzt. Sie wurden durch die Sanitätsfahrzeuge des Fliegerhorstes Crailsheim ins Lazarett
gebracht. Bei dem Toten handelt es sich um den SS-Sträfling Stumiek, Iwan, geboren 4.4.20. Zwecks
Durchführung der Beerdigung wurde derselbe dem Bürgermeister in Roßfeld übergeben. Die
Absturzstelle wurde durch Landwacht bewacht und der Fliegerhorst Crailsheim sofort verständigt. Von dort aus werden die Bergungsarbeiten des Flugzeugs
durchgeführt. Bemerkt wird, dass der Angriff auf Crailsheim und Maulach nur durch Bordwaffenbeschuss
erfolgte. Bomben wurden nicht geworfen."
In Crailsheim-Altenmünster wurden zwei Personen leicht verwundet Es handelt sich um
ein Ehepaar das in der Adolf-Hitler-Straße vor der Haustüre stand und dem Luftkampf bzw. dem Beschuss der feindlichen Jäger zuschaute. Der Mann wurde an einer Hand, seine Frau am Oberschenkel leicht verletzt. Ein Geschoß einer 2 cm Bordkanone
war auf der Straße neben der Haustüre, in der die Leute standen, detoniert.
Jn der Stadt und seinen Vororten sind weitere Schäden nicht verursacht bzw. bekannt geworden.
Der Angriff spielte sich innerhalb von etwa 20 Minuten ab.