Die ersten Tage nach der Besetzung
Die ersten Tage nach der Besetzung Crailsheims waren geprägt von der Absicherung der weiter vorgehenden Truppen: die Bevölkerung wurde aufgefordert, alle Waffen abzugeben und die
Sperrstunden strikt einzuhalten, sonst würde geschossen. Das geschah auch. In den allerersten Tagen waren es nur wenige Stunden, die man auf die Straße durfte.
Die erste Zeit nach der Besetzung war vor allem eine „herrenlose“ Zeit. Es gab keine Autorität, die vermocht hätte, für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Die nach Crailsheim aus Schwäbisch Hall
abgeordneten Offiziere der Militärregierung hatten keine eigene Militärpolizei zur Verfügung, der ab 24. April wieder im Amt befindliche Bürgermeister Fröhlich konnte keine Polizeigewalt ausüben. In
dieser Zeit war Leben und vor allem Besitz in Crailsheim gefährdet. Tagelang geschah, was man später unter „Plünderungen“ zusammengefaßt hat (1).
Es ging dabei einmal um das, was Privatpersonen und Geschäftsleuten gestohlen wurde, andererseits um das „Organisieren“ von anscheinend jetzt besitzlosem Gut von Wehrmacht, Partei und staatlichen
Einrichtungen, so auch der Reichsbahn. Beteiligt an den Diebstählen waren zwar vor allem die nun befreiten Zwangsarbeiter, beim „Organisieren“ auf dem Flugplatz und in den Wehrmachtslagern – etwa in
der Blaufelder Straße und in Satteldorf – waren auch etliche Crailsheimer recht aktiv, vor allem aber auch Landwirte aus den umliegenden Orten, die den „Vorteil“ der Transportmöglichkeiten mit ihren
Fuhrwerken hatten.
Für die Crailsheimer, vor allem für die, die noch ihr Dach über dem Kopf hatten und auch Hausrat, Warenvorräte und andere Dinge besaßen, begann eine neue Art des Erleidens: die Beschlagnahme ihrer
Häuser für die Einquartierung von Soldaten und die dauernde Furcht vor den herumziehenden und plündernden ehemaligen Zwangsarbeitern. Für Angst und Schrecken sorgte in Crailsheim auch eine bald nach
Beendigung der Kampfhandlungen vor allem auf dem Hexenbuckel untergebrachte Einheit farbiger Soldaten, die sich an den Plünderungen und Gewalttaten aktiv beteiligte.
Die Crailsheimer entledigten sich aber auch all der Dinge, die mit dem Dritten Reich in Verbindung gebracht werden konnten und die man damals in fast allen Haushaltungen fand: Bilder und Büsten von
NS-Größen – vor allem die von Hitler -, Fahnen, Wandsprüche, NS-Bücher, Orden und Abzeichen, HJ-Fahrtenmesser, Parteiuniformstücke, Koppelschlösser etc. wurden verbrannt, vergraben oder erst einmal -
z.B. im Keller unter den Kohlen - versteckt. (Einiges kam später ab und zu als Tauschobjekt und von den Amerikanern gesuchte Souvenire wieder zum Vorschein.) Die Jagst wurde zur „Mülldeponie“ für
zahlreiche Waffen.
Schon unmittelbar nach der Besetzung wurde von den Crailsheimern, die in der Umgebung untergekommen waren, so mancher „Spähtrupp“ nach Crailsheim geschickt. Auch der Autor von Wüstenau durch den Wald
nach Crailsheim mit Adressen im Kopf, um dann den anderen in Wüstenau untergekommenen Crailsheimern zu berichten.