Schanzeinsatz Crailsheimer Hitlerjungen am
Westwall
Eingesetzt waren aus den beiden HJ-Bannen Schwäbisch Hall und Crailsheim
521 Hitlerjungen, die unter der Leitung des Haller Bannführers Schmucker und des hierfür dienstverpflichteten Crailsheimer Lehrers Adolf Weiler standen.
Eingesetzt vor Ort waren auch einige ältere Crailsheimer HJ-Führer, die selbst mit schanzten. Der Schanzeinsatz fand vor allem bei dem Ort Ichenheim, ca. 12 km südwestlich Offenburg auf der östlichen Seite des Rheins statt. Als Beginn dieses Einsatzes ist in der „Hohenloher Zeitung" vom 22. November 1944 der 23. September genannt, ein Teilnehmer bestätigt aus Unterlagen den Zeitraum 23. September bis 28. Oktober 1944. Es muss noch andere Einsatzorte und Zeiten gegeben haben. Genannt wird Freistett, 50 km nördlich. Näheres ist nicht bekannt. Am 13. November 1944 erschien in der „Hohenloher Zeitung" eine Notiz für die Eltern der im Westeinsatz befindlichen Hitlerjungen, die darauf hinweist, dass Pakete mit Wintersachen geschickt werden dürften, dass aber Lebensmittelpakete zurück geschickt würden.
Dieser Schanzeinsatz fand im Osten und im Westen des Reiches statt. Beteiligt von Seiten der Hitler-Jugend waren die 14- und 15jährigen, d.h.
die Jahrgänge 1929 und 1930. In Crailsheim betraf das vor allem die neue Klasse 5 der Oberschule für Jungen. Schulbeginn war am 1. September gewesen. Der
Unterricht lief nach dem 23. September nur mit den Mädchen weiter.
Der vom damaligen kommissarischen Bannführer, Oberscharführer Finkbeiner, unterschriebene Einberufungsbefehl „auf Anordnung des Gauleiters und
Reichsverteidigungskommissars" machte darauf aufmerksam, dass bei Nichtbefolgung dieses Befehls mit Bestrafung und polizeilicher Vorführung gerechnet werden musste.
Dem Einberufungsbefehl waren Anordnungen beigefügt, in denen es u.a. hieß:
„Es ist mitzubringen: Spaten, Schaufel und Spitzhacke, Arbeitszeug, 2 Wolldecken, wetterfeste Kleidung, Unterkleidung für zwei Wochen (Unterwäsche zum Wechseln), Schuhe (vor allem Arbeitsschuhe), Strümpfe, Nachtzeug (Trainingsanzug, Schlafanzug o.ä.), Waschzeug (Seife, Zahnbürste; Zahnpaste, Kamm), Handtücher, Verbandspäckchen und Verbandszeug, Näh- und Schuhputzzeug, Eßbesteck, Eßgeschirr (Eßschüssel und Becher). Soweit vorhanden: Tornister, Rucksack, Schultornister, Brotbeutel, Feldflasche, Kochgeschirr, Zeltbahn, Taschenlampe, Taschenmesser. Nach Möglichkeit: Mantel, Wollpullover, Unterhosen. Verpflegung: Marschverpflegung für 2 Tage ist mitzunehmen."
Die ursprüngliche Einsatzdauer war mit zwei Wochen angegeben, die dann vor Ort mehrfach verlängert wurde. Geschanzt wurden Schützengräben als Verbindung zwischen den Westwall-Bunkern und Maschinengewehr-Stellungen. Technisch angeleitet und überwacht wurden die Arbeiten von Wehrmachtsangehörigen.
Untergebracht waren die Jungen in Sälen von Gastwirtschaften und in Schulen auf Strohlagern. Verpflegung wurde abends in Kübeln zu den Unterkünften gebracht, wobei auch das Brot für den nächsten Tag zugeteilt wurde. Teilnehmer erinnern sich, dass die Verpflegung ausreichend war und bei den Crailsheimern auf gerechte Verteilung geachtet wurde.
Die Arbeitsleistung der Jungen sollte 6,5 Stunden nicht überschreiten. Das wurde in Ichenheim anscheinend nicht immer eingehalten. Teilnehmer
erinnern sich, dass der Abmarsch zu den Schanzstellen in etwa 20 bis 30 Minuten Entfernung um 7 Uhr erfolgte
und dass man abends so gegen 18 Uhr in den Quartieren war. HJ-Dienst erfolgte dann nicht mehr, dafür hat Adolf Weiler gesorgt, weil die Jungen dafür zu müde waren. Auch gab es morgens z.B.
keinen Fahnenappell.
Auf den Schanzstellen bei Ichenheim hatte man Glück. Sie blieben von Tieffliegerangriffen verschont, obwohl täglich Verbände über die Jungen weiter ins Reich flogen. Berichtet wurde, dass es in einer
Nachbar-Schanzstelle zu Verlusten kam.
Die Beziehungen zu den Ichenheimern wird als gut bezeichnet. So wurden die Jungen an einem Sonntag zum Mittagessen in Familien eingeladen. Urlaub gab es keinen. Daran, dass jemand schlapp gemacht hat, können sich die damaligen Teilnehmer nicht erinnern.
Die „Hohenloher Zeitung" (22. November 1944) berichtet, dass sich die Crailsheimer und Haller von den Ichenheimern mit einem Bunten Abend
verabschiedet haben. Die Leitung hatte Adolf Weiler. Dieser jugendbewegte, beliebte Lehrer war da sicher ganz in seinem Element. Der Bunte Abend
bestand aus Musik, Gesang, Turn-Vorführungen, Sketchen und hohenlohschen Mundartversen.
Während des Einsatzes entstanden zwei Westwall-Lieder. Einer der Texter sagt heute, dass sein Beitrag das verführte Denken junger Menschen
widerspiegele. Der Titel: „Kamerad, wir treten an". Als Beispiel nennt er zwei Zeilen, die er nicht vergessen hat:
"Kamerad, noch glauben wir, der Sieg ist mit den Besten" und „Wenn Helden-Brüder auf uns sehen, wollen wir vor ihrem Blick bestehen."
Interner SD-Bericht: 28. Oktober 1944
Bau der Befestigungslinien an den
Reichsgrenzen:
Nach hier vorliegenden Berichten sind bei der Schanzaktion an den
Reichsgrenzen eine Anzahl Mängel und Schwierigkeiten aufgetreten, die nachfolgend kurz zusammengestellt sind. Hervorgehoben wird, dass diese negativen
Erscheinungen vielfach durch die Umstände bedingt und nicht zu vermeiden waren. Die Aktion war an allen
Reichsgrenzen in kürzester Frist in Angriff zu nehmen und durchzuführen, so dass sie stellenweise schon zum Abschluss gebracht werden konnte. Die Partei
musste sich zur Durchführung aller Maßnahmen ihres eigenen Apparates und der vorhandenen Organisationen von Partei und Staat ausschließlich
bedienen. Zentrale Richtlinien fehlten dabei fast ganz und betreffen, soweit solche erlassen wurden, im wesentlichen nur Grundsatzfragen.
Die Aktion war damit in allen Grenzgauen vorwiegend durch Improvisation gekennzeichnet und ihr Ablauf durch die Initiative der Gauleiter bestimmt, die dabei weitgehend von den örtlichen Verhältnissen
abhängig waren. Besonders stark traten diese im Westen negativ in Erscheinung, wo die plötzliche militärische Entwicklung eine planmäßige
Durchführung der vorgesehenen Befestigungsbauten überhaupt unmöglich machte. Auch die Rückführung der fremdvölkischen Arbeitskräfte aus dem linksrheinischen
Reichsgebiet erschwerte die Arbeiten ungemein. Unter Berücksichtigung der politischen und militärischen Lage ist dadurch erklärlich, dass den Berichten
zufolge gerade an der westlichen Reichsgrenze die Schwierigkeiten besonders stark in Erscheinung traten und sich stimmungsmäßig allgemein sehr ungünstig auswirkten.
In Anbetracht nicht genügend verfügbarer männlicher Arbeitskräfte an allen Reichsgrenzen in großem Umfang Einsatz der HJ.
Dabei Heranziehung von Jahrgängen, die kaum eine praktische Arbeitsleistung vollbringen können (inzwischen Begrenzung durch zentrale Weisung erfolgt).
Die stimmungsmäßigen Auswirkungen ergaben kein einheitliches Bild. Die Schanzaktion selbst wurde im allgemeinen von der Bevölkerung nach den vorliegenden Meldungen im ganzen durchaus günstig aufgenommen. Besonders Genugtuung darüber, dass Männer aller Berufe unterschiedslos ohne Rücksicht auf Stände
und Wissen herangezogen werden. Stimmung der Schanzarbeiter im ganzen ebenfalls zufriedenstellend, weitgehendes Verständnis für die
Schwierigkeiten und Mängel.
Demgegenüber Zweifel der Bevölkerung in Grenzgebieten über militärischen Wert. Meinungsäußerung typisch: „Wenn schon der Atlantikwall nicht
hält, wie erst diese Erdwälle und Gräben." Im Westen vor allem stimmungsabträglich der Einsatz der HJ.
Arbeitsleistung gerade der jüngeren Jahrgänge sei nur unbedeutend, Gefährdung der Kinder wegen Feind- und Tieffliegerangriffen erheblich. Neben ernster
Besorgnis der Eltern böswillige und haltlose Gerüchtebildung: dazu beigetragen hat die verschiedentliche Briefzensur für HJ-Angehörige. Bei der HJ selbst Stimmung gut, teilweise sogar begeistert, wenn Führerschaft und damit Behandlung in Ordnung.