Weiße Rose
(aus: Armin Ziegler:
„Die unvollendete Geschichte der ‚Weiße Rose’- Hemmnisse, Forschungslücken, Streitfragen, Legenden“)
Die Münchner Widerstandsgruppe, die nach dem Namen ihrer ersten vier Flugblätter als „Weiße Rose“ bekannt wurde, bestand nur knapp neun Monate. Zwischen dem 26. Juni und dem 12. Juli 1942 wurden die
ersten vier Flugblätter der „Weiße Rose“ verschickt. Die Autoren waren Hans Scholl und Alexander Schmorell, Medizinstudenten und Angehörige einer Studentenkompanie (Studenten-Kompanie (Med.2)
Heeres-San. Staffel München). Dieser Studentenkompanie gehörte im Sommersemester 1942 auch Jürgen Wittenstein, Hubert Furtwängler und Willi Graf an. Christoph Probst war Angehöriger einer Münchner
Studentenkompanie der Luftwaffe.
Die Herstellung der Flugblätter erfolgte auf einem einfachen Vervielfältigungsgerät im Zimmer von Alexander Schmorell in dessen Münchner Elternhaus. Verschickt wurden jeweils rund 100 Exemplare per
Post an Anschriften in München. Überwiegend wurden für alle vier Aussendungen die gleichen Adressen benutzt, vor allem von Akademikern, aber auch von anderen Meinungsbildern, von denen man annahm,
dass sie den Inhalt gesprächsweise – wenn nicht das Flugblatt – weitergeben würden.
Der Inhalt der Flugblätter richtete sich in einem intellektuell-literarischen Stil gegen das NS-System, seine Verbrechen, gegen den Krieg und forderten zum passiven Widerstand auf.
Die Studentin Traute Lafrenz, eine Freundin von Hans Scholl, und Sophie Scholl, seit dem Sommersemester ebenfalls Studentin in München, schlossen aus Formulierungen auf die Autoren und wurden dadurch
am Ende des Sommersemesters 1942 zu Mitwissern.
Am 23. Juli 1942 begann für Angehörige der Studentenkompanie eine Frontfamulatur in Russland, die bis zum 6. November 1942 dauerte. Am 22. Juli hatte im Atelier des Architekten Eickemeyer ein
Abschiedsabend stattgefunden, an dem auch Prof. Huber teilnahm, der jedoch noch nicht eingeweiht war. Gemeinsam in Russland waren Alexander Schmorell, Hans Scholl, Hubert Furtwängler, Willi Graf und
Jürgen Wittenstein, der aber nicht mit ihnen gemeinsam eingesetzt war. Willi Graf gehörte zu dieser Zeit noch nicht zu den Mitwissern. Land und Leute in Russland beeindruckten alle tief, vor
allem durch die engen Kontakte zu Russen, die u.a. durch die Sprachkenntnisse des in Russland geborenen Alexander Schmorell ermöglicht wurden.
Widerstandsaktivitäten oder Planungen für später sind aus dieser Zeit nicht bekannt.
In der Nacht vom 28. auf 29. Januar 1943 wurden von Hans Scholl
und Alexander Schmorell Flugblätter in München per Post aufgegeben und in der Stadt ausgelegt. Sophie Scholl tat das in den nächsten Tagen auch tagsüber in der Stadt u.a. in
Telefonzellen.
Am 3. Februar 1943 wurde die Kapitulation einer deutschen Armee in Stalingrad bekannt. In der folgenden Nacht brachten Alexander Schmorell und Hans Scholl in der Stadt Mauerparolen an: „Nieder mit
Hitler“ und „Freiheit“.
Sophie Scholl war vom 5. oder 6. Februar bis zum 14. Februar 1942 in Ulm bei ihren Eltern.
Am 8. Februar erfolgte ein weiteres Gespräch mit Falk Harnack, der besuchsweise in München war. Teilnehmer waren Alexander Schmorell, Hans Scholl und Willi Graf in der Wohnung der Geschwister Scholl.
In der Nacht brachten Hans Scholl und Willi Graf weitere Mauerparolen an, darunter auch an der Universität. Ein weiteres Gespräch - nun auch mit Prof. Huber - fand am 9. Februar ebenfalls in der
Scholl-Wohnung statt. Die Diskussion verlief kontrovers. Prof. Huber wandte sich gegen kommunistische Ansichten von Falk Harnack.
Im Anschluss an das Gespräch übergab Prof. Huber den Text des von ihm entworfenen 6. Flugblatts. Es wandte sich an die Münchner Studenten. Scholl und Schmorell strichen gegen den Willen von Huber
eine Lobpreisung der deutschen Wehrmacht. Prof. Huber, der die Mauerparolen-Aktion verurteilte, nahm an weiteren Gesprächen nicht teil.
Auch das 6. Flugblatt konnte in einer Auflage von mehreren tausend Exemplaren hergestellt werden.
In der Nacht vom 15. auf 16. Februar 1943 wurden postadressierte Flugblätter auf verschiedene Briefkästen in München verteilt und erneut Mauerparolen angebracht. Diesmal waren dabei: Alexander
Schmorell, Hans Scholl und Willi Graf.
Am 17. Februar wurde Hans Hirzel in Ulm von der Gestapo wegen einer Anzeige von zwei Hitlerjungen, denen er von einer geplanten Flugblatt-Verteilung erzählt hatte, vernommen. In der Vernehmung hatte
er auch Sophie Scholl erwähnt. Um sie zu warnen, bat er Inge Scholl, nach München zu fahren und die Umstände zu erläutern bzw. ein Codewort durchzugeben. Inge Scholl rief telefonisch den in München
bei Prof. Muth anwesenden Otl Aicher an, einen gemeinsamen Freund, dass er Hans und Sophie Scholl das Codewort durchgeben und sie warnen soll. Ein Anruf erfolgte am gleichen Tag,
ob das Code-Wort dabei durchgesagt wurde, ist zwar wahrscheinlich, aber nicht bestätigt. Ein telefonisch für den nächsten Tag vereinbartes Gespräch fand nicht mehr statt.
Am 18. Februar 1942 legten Hans und Sophie Scholl kurz vor 11 Uhr – entgegen aller für diesen Tag getroffenen Verabredungen - Flugblätter in der Universität aus und warfen auch eine Anzahl in den
Innenhof. Sie wurden vom Hausmeister entdeckt und von der Universitätsleitung der Gestapo übergeben.
Alexander Schmorell flüchtete. Willi Graf wurde am gleichen Abend verhaftet. Christoph Probst, von dem Hans Scholl eine handgeschriebene Ausarbeitung bei sich hatte, die er nicht mehr vernichten
konnte, wurde am nächsten Tag in Innsbruck in Haft genommen und dann nach München überführt.
Am 22. Februar 1943 verurteilte Roland Freisler in einem Volksgerichts-Prozess Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst zum Tode. Sie wurden am gleichen Tag hingerichtet.
Am 24. Februar 1943 wurde Alexander Schmorell nach Abbruch seines vergeblichen Fluchtversuchs in München festgenommen.
Ein zweiter Volksgerichts-Prozess fand am 19. April 1943 statt. Er endete mit Todesurteilen für Prof. Huber, Alexander Schmorell und Willi Graf. Zehn weitere Angeklagte erhielten Zuchthaus und
Gefängnisstrafen. Falk Harnack wurde freigesprochen. Am 13. Juli 1943 wurden Prof. Huber und Alexander Schmorell hingerichtet, Willi Graf am 12. Oktober 1943.
Arbeiten von Armin Ziegler zur „Weiße Rose"
- Eugen Grimminger – Widerständler und Genossenschaftspionier,
Baier-Verlag Crailsheim, Frühjahr 2000
-
Geschwister Scholl – Legenden, Fakten, offene Fragen. Kritische Auseinandersetzung mit Inge Scholls Buch „Die Weiße Rose" als Quelle für Geschichtswissen. Selbstverlag, Schönaich, März
2001
- Die unvollendete Geschichte der „Weiße Rose" – Hemmnisse, Forschungslücken, Streitfragen, Legenden. Selbstverlag, Schönaich,
September 2001
- Widerstand in Sachen „Weiße Rose". Kritische Anmerkungen zu dem Buch von
Detlef Bald „Die Weiße Rose – Von der Front in den Widerstand".
Selbstverlag, Schönaich, Juni 2003
- Es ging um Freiheit! Die Geschichte der Widerstandsgruppe „Weiße Rose" - Fakten, Fragen, Streitpunkte, Menschen.
Selbstverlag, Schönaich, Februar 2005
Jürgen Wittenstein und die Geschichte der „Weiße Rose".Selbstverlag, Schönaich, September
2005
- Dramaturg des Widerstands: Falk Harnack
und die Geschichte der „Weiße Rose". Selbstverlag, Schönaich, September 2005
Das gestaltete Vermächtnis: Inge Scholls Interpretationen der „Weiße Rose". Selbstverlag, Schönaich, Juni 2006
Thomas Mann und die „Weiße Rose". Der Einfluss der „Feindsender". Baier Verlag Crailsheim, Januar 2007
Die Arbeiten sind vergriffen - jedoch in den amtlichen Hinterlegungsstellen eingestellt.